Prozess nach Raub in Haan Angeklagter spielt seine Rolle beim Überfall auf Rentner herunter

Im Mai 2017 wurde ein damals 82-jähriger Rentner in seinem Haus am Hermann-Löns-Weg überfallen, stundenlang gequält. Anschließend zündeten die Täter das Haus an. Vier Täter sind bereits verurteilt, in einem zweiten Prozess steht nun ein fünfter Tatverdächtiger vor Gericht.

 Ein Ermittlerin bei der Spurensicherung am Tatort in Haan.

Ein Ermittlerin bei der Spurensicherung am Tatort in Haan.

Foto: Alexandra Rüttgen

Es ist ein mühsames Ringen um die Wahrheit. Das Gericht hat offenbar noch immer Zweifel am Geständnis des Angeklagten, der bei dem Überfall auf einen Pensionär im Mai 2017 mehr als drei Stunden auf der Terrasse ausgeharrt haben will, während zwei bereits verurteilte Mittäter den damals 82-Jährigen im Haus traktierten. Schon bei einem der letzten Verhandlungstage ließ der Vorsitzende Richter durchklingen, dass er auch einen anderen Tatablauf für möglich halte – bei dem der Angeklagte mitten drin gewesen sei im Geschehen.

Um das herauszufinden, hat die Kammer bislang keinen Aufwand gescheut. Und offenbar gibt es noch immer reichlich Klärungsbedarf, so dass nun noch weitere Verhandlungstage folgen sollen. Vorerst allerdings wird der Prozess unterbrochen, Mitte Januar soll es weitergehen.

Am letzten Verhandlungstag vor der wochenlangen Pause wurde nochmals ein Kripobeamter als Zeuge gehört, der kurz nach der Tat einen der Mittäter befragt hatte. Dass der Angeklagte bei der ganzen Sache mit dabei gewesen sei, war damals noch nicht bekannt – erst inmitten der Verhandlung gegen die vier mittlerweile verurteilten Täter war „die Bombe geplatzt“. Zwei der Angeklagten hatten den 37-Jährigen der Mittäterschaft bezichtigt, es war auch ein anonymes Schreiben bei der Polizei eingegangen.

Bei all dem war durchgeklungen, dass man Repressalien gefürchtet habe, weil der Angeklagte ein Mitglied einer libanesischen Großfamilie sei. Und auch jetzt bei der Zeugenvernehmung des Kripobeamten wurde überdeutlich, wie sehr damals um den „heißen Brei herumgeredet“ worden ist. Die Vernehmungen seien schwierig gewesen – mal sei von vier und dann wieder von fünf Tätern gesprochen worden. Klar wurde auch: Die ganze in der Aussage präsentierte Version glich zwischenzeitlich eher einem „Dilettantenstadl“, bis hin zu zitternden Beinen und einem hilflosen Hin- und Herlaufen bei einem abgebrochenen Überfallversuch nur wenige Tage vor der Tat im Mai 2017.

Wären nicht die Brutalität der Tat, die schlimmen Folgen für das Opfer und die Abgebrühtheit des Drahtziehers, der zuvor über beinahe 20 Jahre hinweg Raubüberfälle auf Geldtransporter verübt hatte: Man hätte meinen können, einem schlecht inszenierten Theaterstück mit einem noch schlechteren Drehbuch beizuwohnen.

Der Kripobeamte schilderte, wie der damals von ihm vernommene Täter versucht habe, seine Tatbeteiligung herunterzuspielen. Man habe „den Opa“ schützen wollen und von DNA-Spuren habe er keine Ahnung. Das Haus abbrennen? Und dass er am Tag vorher schon Benzin in Flaschen umgefüllt haben soll? Ach was, er jedenfalls will damit nichts zu tun haben. Er habe sowas zuvor allenfalls im Fernsehen gesehen – was ihn aber offenbar nach dem Überfall auf den Pensionär nicht davon abgehalten hatte, mit einem der Mittäter eine Tankstelle überfallen zu wollen.

Das Schieben der Schuld auf andere ist ohnehin eine besondere Dynamik dieses Prozesses. Das Gericht wird im neuen Jahr zu entscheiden haben, ob das auch für den Angeklagten gilt.

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