Spiritueller Zwischenruf Wellenbrecher und Wellenreiter

Langwaden · Würde „Wellenbrecher“ noch einmal zum Wort des Jahres werden? Bruno Robeck, Prior der Zisterziensermönche aus dem Kloster Langwaden, hat da seine Zweifel.

 Prior Bruno Robeck, OCist

Prior Bruno Robeck, OCist

Foto: Melanie Zanin

Ob es jetzt auch noch die Chance hätte, Wort des Jahres zu werden? Die Gesellschaft für deutsche Sprache wählte im vergangenen Dezember das Wort „Wellenbrecher“. Es sollte etwas von Standhaftigkeit und Zuversicht vermitteln. Alle Bestimmungen, die das Coronavirus zurückdrängten, und alle Menschen, die sich an die Hygienekonzepte hielten und impfen ließen, trugen dazu bei, die vierte Coronawelle zu brechen. Zurzeit werden jedoch die Stimmen immer lauter, die Aufhebungen statt Einhalten der Vorsichtsmaßnahmen fordern.

Dabei sind alle von derselben Grundeinsicht geleitet: Wir müssen handeln – nur bei der Antwort auf die Frage „wie?“ gehen die Ansichten weit auseinander. Wenn man mich fragen würde, würde ich nicht vom „Wellen brechen“ sprechen, da dieser Ausdruck zu stark das „Brechen“ betont. Brechen ist immer mit Gewalt verbunden. Corona kann jedoch nicht mit Gewalt – und schon gar nicht mit trotziger Kraftmeierei – beseitigt werden, sondern nur durch eine kluge Strategie, die sich den nie gleich bleibenden Umständen anpasst.

Wer dagegen etwas bricht, lässt Zerbrochenes zurück. Wer sich selbst als Wellenbrecher einstuft und als Fels in der Brandung versteht, gerät leicht in Gefahr, dass seine Beziehungen einen Knacks bekommen oder im schlimmsten Fall zerbrechen. Es kommt darauf an, dass wir die Pandemie besiegen, nicht dass wir das gute Zusammenleben mit den anderen beschädigen oder zerstören.

Hier liegt die gegenwärtige Herausforderung: Wie können wir gemeinsam mit all unseren unterschiedlichen Erfahrungshintergründen die Coronapandemie überwinden? Es würde nicht weiterhelfen, wenn wir zu Wellenreitern werden würden. Wellenreiter sehen auch in großen Wellen keine Bedrohung und meinen, alles unter Kontrolle halten zu können. Auch wenn sie geschmeidiger wirken als Wellenbrecher und flexibler sind, ist ihr Spiel oft riskant, gefährlich und manchmal sogar falsch und egoistisch. Die Wellenreiter können auch für all jene gefährlich werden, die sich von ihrer scheinbaren Leichtigkeit und Originalität beeinflussen lassen. Eine Fehleinschätzung von Coronawellen durch solche Wellenreiter könnte fatale Folgen haben.

Was also tun? Mir fällt Jesus ein. Er war weder ein Wellenbrecher noch ein Wellenreiter. Die Evangelien berichten, dass er die Fähigkeit besaß, die tosende See zu beruhigen und über das Wasser zu gehen. Jesus dramatisiert nicht und bagatellisiert nicht. Er löst die bedrohliche Lage nicht durch Gewalt. Es scheint, dass es ihm aus seiner inneren Mitte heraus gelingt, die Situation zu befrieden. Solch eine souveräne Persönlichkeit bräuchten wir heute auch: die fähig ist, Gefahren zu erkennen und aufgeheizte Debatten zu versachlichen. Eine Persönlichkeit, der es gelingt, ein Angebot zu machen, um möglichst alle aus der Gefahrenzone herauszuholen. Wer dann in der Gefahrenzone bleiben möchte, möge bleiben. Trotzdem sollte es stets den ausgestreckten Arm geben, der immer zu helfen bereit ist. Denn auch diese ausgestreckte Hand gehört zu jener Art von Souveränität, die Jesus zu eigen war.

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