Kolumne Spiritueller Zwischenruf Ein Blick aus dem Sommerloch

Schade, dass das Sommerloch vorbei ist, meint Bruno Robeck, Prior der Zisterzienser-Mönche aus Langwaden. Tut sich ein solches Zeitloch auch im eigenen Leben auf, kann das entlastend sein. 

Vor kurzem berichtete das WDR-5-Morgenecho fast sechs Minuten lang über einen erwachsenen Legostein-Fan. Hintergrund waren der 90. Geburtstag der Legosteine und die jüngste Entwicklung, dass sich immer mehr erwachsene Menschen als Legostein-Spieler outen. Diese kleinen Steine, die fast alle kennen, regen die Kreativität in jedem Lebensalter an. Außerdem habe das Zusammensetzen der Steine einen meditativen Charakter.

 Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterzienser-Mönche.

Bruno Robeck ist Prior der Langwadener Zisterzienser-Mönche.

Foto: Melanie Zanin

Mich beeindruckten besonders die Länge des Beitrags und die Ernsthaftigkeit der Recherche. Auch wenn man fühlen konnte, dass es sich um ein Sommerlochthema handelte, fand ich es gut. Es ist wohltuend, wenn nicht eine dramatische Nachricht die nächste jagt. Das Sommerloch macht Platz für andere Themen möglich. Schade, dass es zu Ende geht. Wenn sich im eigenen Leben solch ein Zeitloch auftut, kann dies auch entlastend sein. Neue Perspektiven können sich öffnen. Endlich ist Zeit für Dinge, die man schon immer einmal machen wollte.

Allerdings kann plötzlich geschenkte Zeit auch überfordern. Man fällt sozusagen in dieses Loch hinein, weil man mit der zusätzlichen Freizeit nichts anzufangen weiß. Und dann gibt es da noch diese Löcher, die immer wieder in unser Leben gerissen werden. Durch schwere Krankheit oder Tod entsteht ein Abgrund, in dem man zu versinken droht. In solchen Situationen bleibt man erst einmal im Loch stecken. Es bedarf oft des mühevollen Herauskletterns aus der Tiefe und Dunkelheit.

Unser Mönchsvater, der heilige Benedikt von Nurisa, hat sich freiwillig als junger Mann in ein tiefes Loch im Gebirge von Subiaco zurückgezogen. In dieser Einsamkeit hat er wahrscheinlich auch Erfahrungen gemacht, mit denen er nicht gerechnet hatte. Auf jeden Fall war er auf die Hilfe eines Mitbruders angewiesen, der regelmäßig nach ihm schaute und ihn mit Essen versorgte. Schließlich kam Benedikt aus seiner selbstverordneten Isolation wieder zu den Mitmenschen zurück und wurde ein großer geistlicher Lehrer und gesuchter Helfer in Notsituationen.

Es gibt also verschiedene Arten von Löchern, mit denen wir unterschiedlich umgehen müssen. Ein tiefes Loch, das sich schon zu einem tiefen Tal entwickelt hat, ist bereits zu unserem Alltag geworden. Ich meine das Corona-Loch bzw. das -Tal, in dem wir alle sitzen. Auch wenn wir alle darin gefangen sind, so sind die Verhaltensweisen der Menschen sehr unterschiedlich. Manche trauen sich nach wie vor kaum zu bewegen, während andere so tun, als wäre das Tal schon durchschritten. Und zwischen diesen beiden Extremen sind die vielen, die auf Sicht fahren, wobei die einen viel weiter zu sehen glauben als die anderen.

Schön wäre es, wenn Corona nur für das Nachrichten-Sommerloch taugen würde. Leider gleicht es dem langen Tal, dessen Ende noch nicht absehbar ist. Bis 2020 waren wir auf den Höhen des Lebens unterwegs, nun sollten wir akzeptieren, dass wir unten laufen. Wen diese Erkenntnis zu sehr runterzieht, dem seien die netten Sommerlochbeiträge empfohlen –oder auch das Lernen von Menschen, die sich wie der heilige Benedikt selbst ins Loch gesetzt haben.

Prior Bruno Robeck, OCist

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