Kerken Mit blinder Autorin in die Welt der Magie

Kerken · Christiane Quenel hat unter dem Künstlernamen Paula Grimm im Selbstverlag zwei Bücher veröffentlicht. Das Schreiben gestaltet sich bei der Kerkenerin wohl anders als bei den meisten Autoren, denn sie kann nicht sehen.

 Christiane Quenel an ihrem Arbeitsplatz. Sie kommuniziert mit ihrem Computer über Spracheingaben.

Christiane Quenel an ihrem Arbeitsplatz. Sie kommuniziert mit ihrem Computer über Spracheingaben.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Ihr eigener Name war Christiane Quenel zu kompliziert. Ständig musste sie ihn buchstabieren, häufig haben Fremde ihn falsch ausgesprochen. Auf ihren Büchern sollte also ein anderer Name stehen. Aus dem zweiten Vornamen und dem Mädchennamen ihrer Mutter wurde dann Christiane Quenels Pseudonym: Paula Grimm. Unter diesem Namen hat sie mittlerweile zwei Bücher veröffentlicht.

Das Schreiben dieser Bücher gestaltet sich bei Christiane Quenel wohl anders als bei den meisten Autoren. Denn die Kerkenerin ist blind. 1965 wurde sie als drittes von fünf Kindern in Sevelen geboren, als einzige der Familie ohne Sehkraft. Vor allem ihre Patentante, die ältere Schwester ihres Vaters, habe ihre Liebe zu Büchern geweckt. „Sie war Bibliothekarin, ich habe mir immer von ihr vorlesen lassen“, sagt Christiane Quenel.

Ihre Kindheit verbringt sie an Blindenschulen, zunächst in Düren, später geht sie auf ein Internat in Marburg. Dort gab es eine große Bibliothek mit Büchern in Blindenschrift. „Ich habe immer begeistert gelesen, erzählt und geschrieben“, sagt sie. „Als Kind dachte ich immer, dass ich es niemals schaffen würde – dass ich niemals ein Buch schreiben und Autorin werden würde.“

 Als Paula Grimm hat Christiane Quenel die Bücher „Orca“ und „Felicitas“ veröffentlicht.

Als Paula Grimm hat Christiane Quenel die Bücher „Orca“ und „Felicitas“ veröffentlicht.

Foto: Verena Kensbock

Fürs Studium geht Christiane Quenel nach Köln, widmet sich der Pädagogik. Doch danach ist es schwierig für sie, Fuß in der Arbeitswelt zu fassen. „Die Jobaussichten waren schlecht. Also habe ich als Werbetexterin gearbeitet.“ Viele Jahre lang schreibt sie Texte für Onlineshops – nicht die Erfüllung ihrer schriftstellerischen Träume.

Nebenbei schreibt Christiane Quenel an Kurzgeschichten. Eine davon, die sie 1989 angefangen hatte, kramt sie nach Jahren wieder aus: Orca. „Ich dachte, da kann man noch mehr raus machen“, sagt sie. Also überarbeitet sie die Geschichte über das Mädchen, das Orca genannt wird, weil das Wasser ihr Element ist und ihr übernatürliche Kräfte verleiht. Damit versucht die Protagonistin, ein Familiengeheimnis um einen Todesfall aufzudecken.

Der magische Realismus, das ist Christiane Quenels Genre. Darin verschmelzen die sichtbare Wirklichkeit und eine magische Vorstellung zu einer neuen, einer dritten Realität. „Es geht in meinen Geschichten immer um Menschen, die darauf angewiesen sind, ihre Vorstellungskraft zu gebrauchen, um zu überleben“, sagt die Autorin.

Die Farbe Blau spielt dabei häufig eine große Rolle. Denn bis zu ihrem vierten Lebensjahr konnte Christiane Quenel noch ein wenig sehen. „Da ist ein blauer Rest, an den ich mich erinnern kann“, sagt sie. Und der hat auch bei Orca, dem Wassermädchen, eine große Rolle gespielt. Das Buch ist 2015 erstmals in digitaler Version erschienen, 2018 auch als gedrucktes Buch. Noch davor veröffentlichte sie „Felicitas“, die Geschichte über ein magisches Tagebuch, deren Geheimnisse aus der Vergangenheit eine Journalistin enthüllt.

Um ihre Geschichten auf Papier zu bringen, nutzt Christiane Quenel eine sogenannte Punktschrift-Ausgabe, eine Computertastatur mit Blindenschrift. „Ich bin am Computer langsamer als Menschen, die sehen können“, sagt sie. „Und ich bin darauf angewiesen, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind.“ Ansonsten müsse sie sich aber mit denselben Problemen rumschlagen, die auch andere Selfpublisher beschäftigen, vor allem dem Einkommen.

Vor zwei Jahren hat Christiane Quenel den Schritt gewagt und ist freiberufliche Autorin geworden. Leben kann sie von den Buchverkäufen nicht, dennoch ist damit ihr Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Ihre Bücher hat die 53-Jährige bisher im Selbstverlag veröffentlicht, sie sind in digitaler und gedruckter Form verfügbar.

Für alle, die sich wie die Autorin auf ihr Gehör verlassen, gibt es die Geschichten aber auch als Hörbücher.

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