Interview Bezirksbundesmeister Alexander Tetzlaff Bruderschaftsgedanke gewinnt an Bedeutung

Erkelenz · In Zeiten von Corona besinnt man sich in den Dörfern auf den Bruderschaftsgedanken. Davon ist der 27-jährige Alexander Tetztlaff überzeugt. Er sagt: „2021 ist das Jahr der Schützen.“

 Bezirksbundesmeister Alexander Tetzlaff (27) vor dem Festzelt und Maibaum in Keyenberg (Neu).

Bezirksbundesmeister Alexander Tetzlaff (27) vor dem Festzelt und Maibaum in Keyenberg (Neu).

Foto: Ruth Klapproth

Alexander Tetzlaff, Bezirksbundesmeister im Bezirksschützenverband Erkelenz, hätte sich Anfang des Jahres nicht träumen lassen, dass die Schützenfeste in der Region allesamt ausfallen würden. Seine eigene St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft Keyenberg wollte nach dem großen Bezirksschützenfest im alten Keyenberg im vergangenen Jahr in diesem Jahr eine prachtvolle Schützenfestpremiere im Umsiedlungsort feiern. Vom 27-Jährigen stammt das schöne Zitat, dass eine Schützenbruderschaft für mehr steht als für drei Tage lang feiern im Dorf.

Was bedeutet das Zitat insbesondere in Zeiten von Corona?

Alexander Tetzlaff Schützenbruderschaften haben nicht nur die Aufgabe, ein Schützenfest zu organisieren. Hinter dem Bruderschaftsgedanken steckt viel mehr und dies muss, gerade in Zeiten der Coronakrise, wieder verstärkt in den Vordergrund rücken. Schützenbruderschaften sind aus der Historie heraus auch „Sozialvereinigungen“ gewesen. In früheren Jahrhunderten war es zum Beispiel nicht selbstverständlich, dass jede Frau und jeder Mann ein würdiges Begräbnis erhielt, da oft die finanziellen Mittel nicht ausreichten. In solchen Fällen kam dann die Bruderschaft ins Spiel, die neben den anfallenden Kosten, auch für einen würdigen Rahmen des Begräbnisses beitrug. Das verdeutlicht auch die rege Teilnahme der Schützen bei den Beerdigungen der verstorbenen Mitglieder heutzutage. Ein großes Manko sind hiermit auch die Einschränkungen während dieser Krise, die die Begräbnisse betreffen. Schützenbruderschaften waren aber auch immer schon in Krisenzeiten für ihr Dorf und dessen Bewohner da. Der Begriff „Schützen“ kommt historisch betrachtet nämlich nicht vom „Schießen“, sondern von „Beschützen“. Das Beschützen bezog sich nicht nur auf kriegerische Auseinandersetzungen, sondern auch auf Zeiten, in denen in vergangenen Jahrhunderten Seuchen und Epidemien grassierten.

Wie groß ist die Solidarität unter den Schützenbrüdern in den eigenen Vereinen, in der Gemeinschaft und in der Gesellschaft?

Alexander Tetzlaff Schon während der Pest unterstützten die Schützenbrüder die örtliche Bevölkerung und halfen den Älteren, Kranken und Bedürftigen in sämtlichen sozialen und gesellschaftlichen Belangen. Somit ist es sehr schön zu sehen, wie viel Engagement viele Schützenbruderschaften heute zeigen, wenn es wieder darum geht, Menschen einer Risikogruppe zu unterstützen und deren alltägliche Erledigungen zu übernehmen. Dies funktioniert allein dadurch, dass unter Schützenschwestern und -brüdern immer auch eine gute nachbarschaftliche Beziehung und Hilfsbereitschaft einen sehr hohen Stellenwert besitzt. Viel Anstoß braucht es dabei auch heutzutage nicht, wenn es darum geht, sich als Schützenbruderschaft in der direkten Hilfe der Benachteiligten oder einer Risikogruppe zu engagieren. So lief auch unser Projekt in Keyenberg „Schützen helfen“ von Anfang an sehr gut, zumal sofort Hilfe geleistet wurde, ohne dass eine offizielle Organisation notwendig war.

Wie kommen die Bruderschaften finanziell über die Zeit nach der Absage der Feste und Kirmessen?

Alexander Tetzlaff Differenzierter muss man hinschauen, wenn es um die finanzielle Lage einer Schützenbruderschaft geht, da in unserem Bezirksverband Erkelenz höchst unterschiedliche Voraussetzungen vorhanden sind. Grundsätzlich für alle kann man natürlich sagen: Den Schützenbruderschaften fehlen alle Einnahmen, die sie aus ihren Veranstaltungen erzielen würden. Aber bei der Ausgabenliste sieht es höchst unterschiedlich aus. Manche unterhalten Schießstände, Vereinsheime und andere Posten, die mit Fixkosten verbunden sind. In diesen Fällen werden die Bruderschaften nun vor Herausforderungen stehen, da überlegt werden muss, wie diese Kosten gedeckt werden können, ohne dass den Vereinen ein großer Schaden entsteht, der am Ende dann die Existenz der Bruderschaft bedroht. Hier gibt es jedoch bereits einen Fahrplan des Landes NRW, mit dem die Möglichkeit zur Unterstützung der Vereine eingerichtet wird. Hoffen wir, dass dies an dieser Stelle genügt.

Wie sehr belastet die Situation den Bezirksbundesmeister, die Familie, die Bruderschaft, die Dorfgemeinschaft?

Alexander Tetzlaff Mich persönlich belastet die Situation nur dahingehend, dass einem sozusagen die Hände gebunden sind, was das persönliche Miteinander angeht. Die eigene Schützenbruderschaft und in ihr der eigene Schützenzug, oder auch die Kollegen und Kolleginnen aus dem eigenen Vorstand (Orts- und Bezirksebene) sind für mich wichtige Personen, mit denen man zusammen freudige und traurige Momente des Lebens teilt. Sie sind Freunde, aber eben auch mehr, sie sind meine Schützenschwestern und Schützenbrüder. Und daher belastet mich am meisten, dass man sich augenblicklich nicht treffen, gemeinsam lachen und erzählen kann, wie es sonst der Fall war. Natürlich wird es auch hart für mich, als leidenschaftlicher Schützenbruder, in diesem Jahr kein einziges Schützenfest erleben zu dürfen, bei dem wir unsere alten Werte und Traditionen, die ich bereits beschrieben habe, hochleben und öffentlich zum Ausdruck bringen dürfen. Vor zwei Monaten noch hätte ich niemals daran geglaubt, dass es für mich in meiner Lebenszeit mal ein Jahr ohne Schützenfest geben würde. Traurig bin ich auch darüber, dass das Bezirksschützenfest in Venrath nicht stattfinden wird, da es verbunden mit dem 100-jährigen Bestehen des Trommler- und Pfeifercorps Venrath ein besonderes Fest werden sollte, das auch verdeutlicht hätte, wie wichtig ein gut funktionierender Zusammenhalt einer Dorfgemeinschaft und darüber hinaus gerade in der heutigen Zeit ist. Zu guter Letzt stimmt mich traurig, dass wir Keyenberger Schützen keinen Neustart wie geplant umsetzen können. Unser erstes Schützenfest im neu entstehenden Heimatdorf sollte dazu dienen, den Gemeinschaftssinn weiter zu stärken, der für uns als Umsiedlungsort umso wichtiger ist. Je näher der Termin rückt, desto trauriger macht es mich.

Erkelenzer Bezirksbundesmeister Tetzlaff: Bruderschaftsgedanken stärken
Foto: grafik

Hat der Bezirk einen Plan für das Wiederbeleben der Aktivitäten?

Alexander Tetzlaff Ich hoffe sehr, dass wir im nächsten Jahr umso intensiver unser erstes Schützenfest im neuen Keyenberg, ein tolles Bezirksschützenfest in Venrath und noch viele weitere ausgelassene Schützenfeste nach altem Brauch feiern werden. Ich denke, das Jahr 2021 wird das Jahr der Schützen.

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