Interview mit Christoph Schmitz Start-Up mit Wurzeln in Erkelenz

Erkelenz · Bundesweit gibt es mittlerweile mehr als 500 Kindergärten und Schulen, die mit der GemüseAckerdemie zusammenarbeiten, in Arbeitsgemeinschaften kleine Felder bewirtschaften oder Pflanzen im Sachkundeunterricht ziehen. Sechs sind aus dem Erkelenzer Land. Kein Wunder, stammt Christoph Schmitz, der Gründer des Start-Ups mit Sitz in Potsdam, doch vom Eggerather Hof in Erkelenz-Holzweiler.

 In seine Heimat, auf den Eggerather Hof in Holzweiler, kehrt Christoph Schmitz regelmäßig zurück. Hier liegen die Wurzeln zu seiner Idee, Kinder mit dem Gemüseanbau vertraut zu machen.

In seine Heimat, auf den Eggerather Hof in Holzweiler, kehrt Christoph Schmitz regelmäßig zurück. Hier liegen die Wurzeln zu seiner Idee, Kinder mit dem Gemüseanbau vertraut zu machen.

Foto: Speen

Herr Schmitz, wie kam es zu der Idee, ein Start-Up zu gründen, das Kindern den Anbau und die Pflege von Gemüse näherbringt?

Schmitz 2012 war ich Wissenschaftler am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und habe meine Doktorarbeit über den Zusammenhang von Landwirtschaft und Klimawandel geschrieben. Ein Punkt war, dass das 1,5- bis 1,7-fache an Lebensmitteln produziert wird, was letztlich verzehrt wird. Die fehlende Wertschätzung von Natur und Lebensmitteln ist dabei ein entscheidendes Problem. Diese Feststellung, kombiniert mit meinen Erfahrungen auf dem elterlichen Hof, den immer wieder Schulklassen besuchen, ergab die Idee: Wieso bringen wir Kinder aufwändig einmal im Jahr auf den Hof und warum nicht den Hof dauerhaft zu den Kindern.

Inzwischen gibt es bundesweit 475 AckerKitas und AckerSchulen sowie neuerdings 80 Gemüseklassen. Dafür im Einsatz sind mehr als 70 Mitarbeiter des 2014 gegründeten Sozialunternehmens Ackerdemia. Wie kam es zu diesem Wachstum?

Schmitz Angefangen hatten wir zunächst mit einem Experiment, das ich 2013 mit meiner Schwester Ulrike, die Lehrerin in Bedburg ist, und deren Schulklasse durchgeführt habe. Danach waren wir so begeistert, dass wir das ausweiten wollten.

Was wurde untersucht?

Schmitz Wir haben einen Tag lang 15 Kinder praktisch und 15 theoretisch unterrichtet. Der Lernerfolg war nachweislich bei den Kindern höher, die auf dem Acker waren und sich mit eigenen Händen mit dem Anbau von Gemüse beschäftigt hatten. Anschließend habe ich gemeinsam mit zwei Mitgründerinnen – Julia Krebs als Kommunikationsspezialistin und Johanna Lochner als Pädagogin – begonnen, das Konzept weiterzuentwickeln und unser Unternehmen aufzubauen. 2014 konnten wir uns als Verein gründen und haben das Exist-Gründerstipendium des Bundeswirtschaftsministeriums als erste Finanzierung erhalten.

In welchem Tempo ist die GemüseAckerdemie gewachsen?

Schmitz Im ersten Jahr hatten wir sechs Schulen. Damals waren wir bei jeder Schulstunde dabei, um unser Konzept auf die Bedürfnisse der Kinder und Lehrer anzupassen. Unser Ziel war es, Zeit und Aufwand für die Lehrer klein zu halten, obwohl sie mit einem Schulgarten einen dauerhaften, aufwändigen Lernort anlegen. Inzwischen geben wir Unterrichtsmaterial heraus, kommen zu Pflanzungen, geben einen Anbauplan vor, bieten Fortbildungen an, haben eine digitale Lernplattform und stellen die Pflanzen zur Verfügung. Für die Gemüseklassen, bei denen in speziellen Indoor-Beeten im Sachkundeunterricht unter anderem Salat, Bohnen und Mangold angebaut werden, haben wir ein Curriculum erarbeitet, das auf den Lehrplan abgestimmt ist.

Sie stammen von einem landwirtschaftlichen Betrieb in Erkelenz. Wie sind die Kindergärten und Schulen aus Ihrer Heimat in der GemüseAckerdemie vertreten?

Schmitz Die erste Schule war die Edith-Stein-Realschule in Wegberg. Es freut mich auch, dass meine frühere Grundschule in Keyenberg mitmacht. Auch der Kindergarten in Kückhoven, die Kita Laubfrösche in Hückelhoven, die Hauptschule Erkelenz und die Schule am Grenzlandring in Wegberg machen mit. Viele kommen über Mund-zu-Mund-Propaganda zu uns. An dem Programm haben in Deutschland, Österreich und der Schweiz bis heute mehr als 35.000 Kinder teilgenommen.

Sollten Schulen und Kindergärten interessiert sein, teilzunehmen, was kostet das?

Schmitz Den Großteil der Kosten in den ersten drei bis fünf Jahren übernehmen Stiftungen, Ministerien oder Unternehmen. Einen Lernort anzulegen, kostet für die Schulen und Kindergärten im ersten Jahr noch zwischen 800 und 2400 Euro. Der Betrag hängt vom Umfang und der sozialen Bedürftigkeit ab. Danach nimmt der Betrag bis auf unter 500 Euro im fünften Jahr ab – damit wird das Projekt für Kitas und Schulen langfristig realisierbar und unabhängig von Förderern.

Welches Wachstumspotenzial sehen Sie für Start-Up noch?

Schmitz Wir könnten uns innerhalb einer Jahresfrist nahezu verdoppeln. Die Strukturen und personellen Kapazitäten haben wir dazu aufgebaut. Wir integrieren immer wieder auch neue Ideen wie die AckerPause für Unternehmen oder das Kochbuch AckerKüche für die Eltern der Kinder, die an unseren Projekten teilnehmen. Neu ist auch das „Bohnenabenteuer“, ein kleines Spiel, in dem Kinder mit ihren Eltern Bohnen im Wettstreit wachsen lassen können. Das haben wir an 12.000 Kinder der GemüseAckerdemie verteilt und über das NRW-Landwirtschaftsministerium an weitere 5000 Kinder. Unser Ziel, die Wertschätzung für Natur und Lebensmittel in der Gesellschaft zu steigern, hat noch Potenzial für viele weitere Ideen.

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