Diskussion zum Neuanfang Duisburger SPD will Kernthemen anpacken

Duisburg · Im Café Museum diskutierten Mitglieder über die Zukunft der Partei. Flüchtlingspolitik und Agenda 2010 sind zwei Ursachen für den Absturz.

 Die Duisburger SPD will wieder raus aus dem Schatten.

Die Duisburger SPD will wieder raus aus dem Schatten.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Innerhalb der SPD herrscht Redebedarf. Das gilt in Berlin und an der Basis. Im Zuge des aktuellen Erneuerungsprozesses der Partei stellten sich die Duisburger Genossen die Frage, für welche Menschen und Gruppen in der Gesellschaft man überhaupt künftig Politik machen soll. „Von der Partei der Arbeiter zur Partei der Arbeit“ lautete der Titel der Diskussionsveranstaltung im Café Museum an der Friedrich-Wilhelm-Straße.

Referent Timo Grunden, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen, legte in seinem Vortrag „Milieus, Werte und Einstellungen in Deutschland“ zunächst den Finger in die Wunde. Anhand von Statistiken und Auswertungen bilanzierte er die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und der Wählerklientel der SPD der letzten Jahre. Zwei Ereignisse haben noch immer eine nachhaltige Wirkung für die Sozialdemokraten. „Der große Einbruch kam 2009“, so Grunden. Man hatte eine Wirtschaftskrise, war in der Großen Koalition, und es begann die Agenda 2010. „Und dann kam noch die Flüchtlingsproblematik hinzu.“ Die Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik sei der stärkste Konflikt in der deutschen Gesellschaft, meinte Grunden. Davon betroffen waren auch Arbeitnehmer, die sich dadurch stark von der SPD entfremdet haben.

 Referent Timo Grunden legte den Finger in die Wunde.

Referent Timo Grunden legte den Finger in die Wunde.

Foto: spd

Grunden analysiert für diese Entwicklung zwei Gründe. „Erstens, sie sehen ihre sozialen Nöte und ihre ökonomischen sowie ökologischen Interessen nicht mehr von der SPD vertreten“, so der Politikwissenschaftler. Und zweitens würden die Menschen die Einwanderungspolitik und innere Sicherheit bei der SPD deutlich kritischer wahrnehmen, als bei anderen Parteien. „Wie man diesen Graben wieder kitten kann – das ist die große Herausforderung.“ Erschwerend käme hinzu, dass die Partei „eine gewisse Historie“ habe. Stichwort: die Agenda 2010. Der ursprüngliche Ruf der SPD, die Interessenvertretung für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen zu sein, sei seitdem stark geschädigt. Die Glaubwürdigkeit habe gelitten.

Anschließend kam Ünsal Baser, SPD-Ratsherr sowie stellvertretender AfA-Vorsitzender, zu Wort. „Wir müssen uns wieder auf unsere Kernthemen konzentrieren.“ Nach 2002 habe die SPD mit Bundeskanzler Gerhard Schröder an der Spitze „denjenigen, die uns gewählt haben, eine ordentliche Backpfeife verteilt“, so Baser und sagte ironisch weiter: „Und dann wundern wir uns, warum uns keiner wählt.“

Den Genossen im Publikum brannten die Sorgen unter den Nägeln. Manche machten ihrem Unmut Luft und berichteten von ihren Erlebnissen in Ortsvereinen, bei Bürgersprechstunden und Veranstaltungen. Ein Vorwurf lautete: Der Buchstabe „S“ im Namenskürzel der Partei komme bei politischen Themen kaum noch vor.

An der Basis wird gewöhnlich Tacheles geredet. Aber die Erfahrung der Genossen vor Ort zeigt, dass es an einem klaren politischen Profil fehlt. „Wir brauchen jemanden, der sich traut, etwas zu sagen“, meinte ein Vertreter des Ortsvereins-Stadtmitte. „Auch wenn es schwer ist, aber man sollte den Mut haben. Denn nur so können wir glaubwürdig werden.“ Die Bitte richtete sich in erster Linie an die Personen der Partei, die regelmäßig in der Öffentlichkeit stehen. „Wir haben sehr viel selbst dafür getan, dass wir dieses Vertrauen verloren haben“, meinte Ünsal Baser rückblickend. „Die SPD muss sich jetzt selber neu erfinden.“

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