Porträt Die Lebensgeschichte eines Engels

Düsseldorf · Viel Zeit hat sie nicht. In ein paar Stunden sitzt Harriet Bruce-Annan schon wieder im Flieger Richtung Ghana. Dort wird sie erwartet. "Gerade so kurz vor Weihnachten sind die Kinder immer besonders ungeduldig", sagt die 48-Jährige. Sie ist richtig in Eile – überall in ihrem kleinen Büro stehen noch offene Pakete, aus denen bunt verpackte Geschenke ragen.

 Ein afrikanischer Engel: Harriet Bruce-Annan packt die letzten Kisten mit Geschenken für die Reise in ihre zweite Heimat Ghana.

Ein afrikanischer Engel: Harriet Bruce-Annan packt die letzten Kisten mit Geschenken für die Reise in ihre zweite Heimat Ghana.

Foto: Andreas Bretz

Viel Zeit hat sie nicht. In ein paar Stunden sitzt Harriet Bruce-Annan schon wieder im Flieger Richtung Ghana. Dort wird sie erwartet. "Gerade so kurz vor Weihnachten sind die Kinder immer besonders ungeduldig", sagt die 48-Jährige. Sie ist richtig in Eile — überall in ihrem kleinen Büro stehen noch offene Pakete, aus denen bunt verpackte Geschenke ragen.

Manche mit Aufschrift, andere bunt beklebt mit "Merry Christmas". "Geschenke für die Kinder in meiner Heimat", erklärt Bruce-Annan. Für diese Kinder in Ghana ist Bruce-Annan, Gründerin des Vereins "African Angel", schon lange ein Engel.

Hört man sie reden, wird schnell klar: Menschen wie sie sind immer noch die Ausnahme.

Seit Jahren setzt sich die Mutter eines Sohnes nun für die Kleinen der Gesellschaft ein. Und das, obwohl ihr selbst das Schicksal nicht immer wohl gesonnen war. Als studierte Computerprogrammiererin kam Bruce-Annan 1990 mit ihrem damaligen Mann nach Deutschland. Mit vielen Träumen und Hoffnungen. Diese lösten sich schnell in Luft auf, ihr Mann schlug sie, sie musste fliehen, kam in einem Frauenhaus unter und brauchte einen Job. Erlebt man sie heute, mag man es kaum noch glauben, dass Harriet Bruce-Annan in einer Düsseldorfer Altstadtkneipe als Toilettenfrau und als Reinigungskraft bei der Messe gearbeitet hat. Ein Gegensatz, wie er stärker nicht sein könnte: In ihrer Heimat war sie eine erfolgreiche Programmiererin, machte Karriere, hier putzte sie Toiletten. Und dennoch ließ sie das Wohl der Kinder in Ghana nie aus den Augen. Mit dem bisschen Trinkgeld, das sie als Toilettenfrau in der Kneipe und auf der Messe verdiente, finanzierte sie für zunächst 26 Kinder in ihrer Heimat ein Dach über dem Kopf, regelmäßiges Essen und die Möglichkeit, zur Schule zu gehen. "Für diese Kinder mache ich alles", sagt Bruce-Annan. Sobald sie genug Geld beisammen hatte, schickte sie es nach Ghana, um ein weiteres Kind zu unterstützen. 2002 holte sie sich Hilfe und gründete den Verein "African Angel". Seitdem hilft sie im großen Stil. Jedes Kind hat seitdem einen Paten, der es mit 30 Euro monatlich unterstützt. Die Gäste aus der Altstadt nannten sie schon damals einen afrikanischen Engel. Im März dieses Jahres wurde ihr von Bundespräsident Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz verliehen. "Das freut mich", sagt sie und lacht herzlich. "Für alle, die halfen und heute helfen, ist das eine tolle Auszeichnung."

Gern spricht Bruce-Annan über ihre Arbeit, die Kinder, die Menschen, die sie unterstützen, ist dabei lebhaft und strahlt. Über sich selbst spricht sie dagegen nicht gerne. Der Blick wird unruhig, die Hände suchen nach Ablenkung. Vielleicht, weil die Erinnerungen zu sehr schmerzen.

"Mein Glaube ist alles, was ich in meinem Leben brauche", sagt sie. "Wenn ich in fröhliche Kinderaugen blicke, bin ich glücklich, das zählt." Auch wenn man solche Sätze oft gehört hat, dieser Frau glaubt man sie — ihre Augen beginnen wieder zu strahlen, sie wirkt glücklich. "Das ist meine Lebensaufgabe", sagt sie. Und vielleicht erfüllt sich bald noch ein weiterer Traum für Harriet Bruce-Annan. "Mein Sohn studiert in der Ukraine Medizin. Wenn er fertig ist, will er mich unterstützen." Christine Wolff

(RP)
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