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Interview Stefan Engstfeld "Neue Technik für Tempokontrollen"

Düsseldorf · An einem der lautesten Orte der Stadt diskutiert der Landtagsabgeordnete der Grünen über Lärmschutz rund um RRX, U81 und Flughafen.

 Interview unter erschwerten Bedingungen: Grünen-Verkehrsexperte Stefan Engstfeld (links) und RP-Redakteur Christian Herrendorf oberhalb der Brüsseler Straße.

Interview unter erschwerten Bedingungen: Grünen-Verkehrsexperte Stefan Engstfeld (links) und RP-Redakteur Christian Herrendorf oberhalb der Brüsseler Straße.

Foto: Bauer

Die Lärmkarte von Düsseldorf hat viele blaue Stellen. Sie stehen für Orte der höchsten Lärm-Kategorie, dort herrschen 70 Dezibel und mehr. Einer dieser Orte liegt rund um die Brüsseler Straße im Linksrheinischen. Auf der Brücke, die darüber verläuft, fand unser Interview zum Thema Lärmschutz statt.

Können Sie mich gut verstehen?

Stefan Engstfeld Bitte?

Können Sie mich gut verstehen?

Engstfeld Es geht. Man kriegt hier ganz schön was auf die Ohren. Das ist ein echter Klassiker: Düsseldorf, die Pendlerstadt, braucht sechs Spuren Straße, und das direkt neben der Wohnbebauung. Wir haben hier schon 90 Dezibel gemessen.

Welche Hoffnung haben Sie, dass dieser Ort und andere in Düsseldorf eines Tages nicht mehr blau auf der Lärmkarte eingezeichnet sind?

Engstfeld Temporeduzierungen wie hier von 80 auf 60 km/h sind ein günstiger und effektiver Weg, um den Lärm für die Anwohner zu senken. Optimalerweise kommen Flüsterasphalt und Lärmschutzwände hinzu. Viel entscheidender ist, dass wir eine intelligente Form der Mobilität mit attraktivem ÖPNV, Radschnellwegen und mehr Güterverkehr auf der Schiene schaffen - sonst ersticken wir im Lärm.

Das bringt Sie aber in ein Dilemma: Sie wollen mehr Nahverkehr, doch das bedeutet mehr Schienenlärm.

Engstfeld Wir brauchen diese neuen Projekte, aber ihre Umsetzung muss mit massivem und modernstem Lärmschutz einhergehen.

Das wird die Anwohner des RRX nicht sehr trösten. Die Bürgeranhörungen der Bahn haben gezeigt, dass es massive Vorbehalte und Sorgen wegen des Lärms gibt.

Engstfeld Erst einmal ist es ja gut, dass die Bahn die Bürger informiert und mit ihnen diskutiert. Ich verstehe den Prozess so, dass er noch nicht abgeschlossen ist und dass noch nachgerüstet werden kann. Eine Lärmschutzwand ist sicher optisch nicht schön, aber sie ist alternativlos. Und generell: Bürgerbeteiligung heißt übrigens nicht automatisch, dass alle Wünsche der Bürger zwingend erfüllt werden können.

Das ist eine Erfahrung, die die Anwohner der geplanten U81 im Düsseldorfer Norden auch gemacht haben. Wie geht es dort weiter?

Engstfeld Es wird wahrscheinlich eine Brücke und keinen Tunnel geben. Das ist wieder so ein Punkt, an dem dann der modernste Lärmschutz gefragt ist: eine Ummantelung der Brücke, Lärmschutzwände an den Rampen. Das ist nach meinem Stand technisch möglich.

Welche Schutzmöglichkeiten haben die Anwohner der Güterstrecke, insbesondere wenn zusätzlicher Verkehr auf der Verbindung Rotterdam-Genua rollt?

Engstfeld Eine Strecke wie die zwischen Rath und Eller würde so heute nicht mehr entstehen. Das ist ein Fehler, den wir leider nicht mehr korrigieren können. Wir brauchen Lärmschutz an den Waggons und bei den Bremsen und - wie in der Schweiz - klare Vorgaben, dass diese Bedingungen schnell und von allen, die da unterwegs sind, erfüllt werden. Dafür braucht es mehr Geld, als heute dafür vorgesehen ist.

Apropos Geld: Im rot-grünen Koalitionsvertrag steht als prägender Satz "Lärm macht krank". Macht Lärmschutz wiederum pleite?

Engstfeld Wir haben auf der Fleher Brücke und am Werstener Trog gezeigt, dass wir es ernst meinen und mehrere Millionen Euro in den Lärmschutz gesteckt. Aber das Land kann das alleine nicht schaffen. Es wären bundesweit 200 Millionen Euro für den Lärmschutz erforderlich, der Bund hat aktuell 50 Millionen im Haushalt stehen. Da muss Berlin nachlegen.

Damit wären wir beim nächsten Dilemma des Lärmschutzes: Drei Ebenen sind zuständig, jede verweist auf die andere und die Bürger kommen mit ihren Anliegen nicht weiter. Wie muss man die Zuständigkeiten verändern, damit Lärmschutz schneller kommt?

Engstfeld Die Zuständigkeiten kann man nicht ändern. Für manche Straßen oder Strecken ist der Bund, für manche das Land und für andere die Kommune zuständig. Es gäbe da auch kein Problem, wenn der Bund das Thema ernstnehmen und die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellen würde.

Sie haben gerade den Lärmschutz an der A46 angesprochen. Die Anwohner fordern Tempokontrollen über ganze Strecken ("section control"). Welche Chancen haben sie?

Engstfeld Es gibt dazu gute Erfahrungen in Österreich und den Niederlanden, in Niedersachsen startet jetzt ein Pilotprojekt. Der NRW-Innenminister steht dem Thema sehr positiv gegenüber, weil die "section control" verhindert, dass ortskundige Autofahrer kurz vor einem Blitzer bremsen und dahinter sofort wieder beschleunigen. Die A46 hier würde sich für ein Pilotprojekt in NRW anbieten.

In welchem Zeitraum?

Engstfeld Wir können die Ergebnisse aus Niedersachsen hoffentlich Ende dieses Jahres analysieren, und das eventuell schon im Sommer 2016 auch bei uns ausprobieren.

Wo sollte es sonst noch neue Tempokontrollen in Düsseldorf geben?

Engstfeld Die Wirkung von Starenkästen ist begrenzt. Düsseldorf geht da einen anderen Weg und wird weitere Anzeigetafeln mit Smileys anschaffen. Darüber hinaus können wir nur an die Polizei appellieren, mehr mobile Kontrollen durchzuführen. Die haben einen Effekt, auch weil die Autofahrer fürchten, dass an einer bestimmten Stelle wieder ein mobiler Blitzer steht.

Eine andere Lärmform, die in der Diskussion bleibt, ist der Fluglärm. Werden wir tatsächlich die Situation erleben, dass eine grüne Regierungspräsidentin die Kapazitätserweiterung des Flughafens genehmigt?

Engstfeld Unsere politische Haltung dazu ist klar, aber auch eine grüne Regierungspräsidentin muss sich an Recht und Gesetz halten und tut das auch. Der Antrag wird jetzt geprüft und wir werden sehen, ob das mit dem Angerland-Vergleich übereinzubringen ist. Der Flughafen sah das in einigen Punkten so, und hat diese Punkte dann zurücknehmen müssen. Mein Vertrauen in meine und unsere Sichtweise ist gewachsen. Denn eines ist klar: Die Menschen leiden heute schon massiv unter Fluglärm, die Wachstumsmöglichkeiten des Flughafens sind begrenzt.

Wir haben jetzt eine Stunde hier auf der Brücke gestanden und unser Interview geführt. Wie fühlen Sie sich?

Engstfeld Gestresst, man kommt einfach nicht zur Ruhe - und das hat nichts mit Ihren Fragen zu tun.

(RP)
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