Open Source Festival auf der Galopprennbahn Seifenblasen statt Streifenwagen

Düsseldorf · Beim Open Source Festival feierten 7000 Musikfans auf der Galopprennbahn in Düsseldorf-Grafenberg. Die Höhepunkte waren die Auftritte von Tocotronic, Mykki Blanco und der Düsseldorfer Produzentin Pony.

Düsseldorf: Tocotronic und Mykki Blanco beim Open Source Festival
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7000 feiern das Open Source Festival

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Foto: Anne Orthen (ort)

Schönster Nachmittags-Moment: Die Jungs von Zugezogen Maskulin stehen auf der Hauptbühne, die Sonne knallt unerbittlich, und die armen HipHopper tun einem ein bisschen leid, weil sie ihre schwarzen Polohemden in die schwarzen Jeans gesteckt haben und dazu Doc-Martens-Stiefel tragen. Sie singen ihr Lied „Steffi Graf“, es läuft schon eine oder zwei Minuten, da kommt eine Eilmeldung aufs Handy: Angelique Kerber hat soeben Wimbledon gewonnen. Als erste deutsche Tennisspielerin seit Steffi Graf.

Auf der Galopprennbahn in Düsseldorf-Grafenberg ist wieder Open-Source-Festival. 7000 Menschen sind da, alle sehen super aus, und es ist nicht gewagt zu sagen, dass auf keinem deutschen Festival so viel gelächelt wird. Manche haben sich Glitzer-Make-Up unter die Augen geschminkt und Kleider angezogen, die meisten tragen Sandalen, alle anderen Turnschuhe. Es riecht nach Pulled Pork, Sommer-Parfum, Zigarettenrauch, Bier, Urlaubsschweiß, Haarspray und Asia-Food, und irgendwo steht ein Schild mit der Aufschrift „Seifenblasen statt Streifenwagen“.

Das Herzstück dieses Musikfests ist, und das fällt einem bei diesem 13. Mal Open Source mal wieder auf, die Carhartt-Bühne. Sie ist das Zukunftslabor des Pop, hier entstehen die neuen Sounds. Laurel Halo produziert Elektropop, der vom Wind sehr gerecht verteilt wird, und obwohl sie aus Michigan stammt, sieht sie nach Kalifornien aus: gestreifte Bluse aus drei Farben Blau, Riemchensandalen, spitz zulaufende Sixties-Sonnenbrille und Nagellack in Orange. Am selben Ort spielt danach Mykki Blanco, die Frau ist und Mann und Rapper und Aktivistin zugleich, und sie hat das Prinzip Festival begriffen: Mit zwei beeindruckenden Sätzen hüpft sie von der Bühne auf den Lautsprecher und dann ins Publikum. Dort performt sie als Teil der Menge weiter, um sie herum tanzen alle, und wer zufällig den Arm der Künstlerin streift, wird bei der nächtlichen Heimfahrt den Dynamo seines Fahrrades nicht brauchen.

Sternenhimmel und Tocotronic

Das Schöne am Open Source ist, dass man belohnt wird, wenn man so ein bisschen herumdiffundiert. Parallel zur ekstatischen Mykki Blanco zieht auf der Hauptbühne die Gruppe Cigarettes After Sex die Handbremse an und spielt Gitarrenmusik zum Schmusen. Auf der Wiese vor der Bühne wurden von den Stadtwerken gesponserte Matten ausgebreitet, darauf legen Männer ihre Köpfe an die Beine von Frauen und schweifen ab. Die meisten von denen, die man da sieht, kennt man gar nicht, aber alle mag man, und das ist auch so eine Wirkung des Open Source: Togetherness.

Man verbringt den Tag zusammen, von mittags bis nachts, und irgendwann sieht man keine Schwalben mehr, sondern Fledermäuse; hinter der Galopprennbahn versinkt die Sonne. Tocotronic haben den Bühnenhintergrund mit einem Bild des Sternenhimmels geschmückt. Dessen Wirkung geht voll auf, als es dunkel ist: ein Fenster ins Weltall, totale Weite, eine Reise mit der Milchstraßenbahn. Passend dazu singt die Band das Lied „Die Unendlichkeit“. Die Aperol-Reklame leuchtet nebenan so grell, dass man die ganze Zeit Durst auf orangene Getränke mit gestreiften Strohalmen hat, allerdings ist die Schlange an dem Stand zu lang.

Tocotronic spielen „Drüben auf dem Hügel“, ihr allerschönstes Stück, und auf den Song prasseln die Beats, die die Techno-Performerin Pony alias Daniela Georgieva auf der anderen Bühne abfeuert. Irre Wirkung, es mutet an, als sei das geplant, als sei das ein Live-Remix: Ponytronic. Zwei Energiefelder, zwei Erfahrungshorizonte, alles zur gleichen Zeit, alles eins.

Beim Rausgehen steht die Nacht in voller Blüte. Man hat eine Zeile von Tocotronic im Kopf: „Ich warte dort auf dich, weil ich dich mag. / An unserem letzten Sommerferien-Tag.“

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