Analyse Düsseldorf - Exodus der Industrieriesen

Düsseldorf · Der Anlagenbauer SMS zieht nach Mönchengladbach. Damit verlässt ein weiteres Industrieunternehmen die Landeshauptstadt und folgt dem Beispiel von ThyssenKrupp. Daimler verlegt Teile der Produktion in die USA. Der Standort leidet unter den Abgängen.

Der Mönchengladbacher Familienbetrieb SMS Meer
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Als Schreibtisch des Ruhrgebiets bezeichnet sich die NRW-Hauptstadt gern. Als im Zeitalter der Industrialisierung an der Ruhr die Schlote rauchten, wurde Düsseldorf zur industriellen Schaltzentrale. Das blieb so bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Neben den schicken Konzernzentralen gab es auch schmutzige Industrie. In den vergangenen Jahren zeichnet sich ein Exodus der Industrie ab. Jetzt wurde bekannt, dass der Anlagenbauer SMS seine Zentrale in der NRW-Landeshauptstadt bis Ende 2017 schließt und nach Mönchengladbach zieht. 1400 Mitarbeiter an mehreren Standorten, vier davon in Düsseldorf, weitere in Hilden, Aachen, Duisburg und Langenfeld, sind betroffen. Überraschend ist das nicht, SMS baut Stahlwerke und Hüttentechnik. Die Stahlbranche steckt weltweit tief in der Krise.

Übersicht: Das kosten Grundstücke und Immobilien in Düsseldorf
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Foto: Martin Gerten/tmn

SMS ist kein Einzelfall. Aktuell zieht sich Düsseldorfs größter Arbeitgeber aus der Stadt zurück. Entschieden ist das noch nicht, aber es gilt als wahrscheinlich, dass Mercedes die Produktion seiner Sprinter für den US-Markt nach Nordamerika verlegt. Das betrifft jedes achte Fahrzeug. Die IG Metall fürchtet den Verlust von 1800 Arbeitsplätzen in Düsseldorf, es könnten mehr werden, weil Zulieferer Daimler in die Staaten folgen dürften.

Ohne großes Aufsehen verließ die Produktion des Recyclingmaschinenherstellers Metso Lindemann die Stadt. Anfang dieses Jahres teilte die Geschäftsleitung mit, 114 Mitarbeitern kündigen zu wollen. Die Produktion sollte im Frühjahr eingestellt werden, im Jahr des 100. Firmengeburtstags. Nur Verwaltung und Forschung bleiben am Rhein.

Düsseldorf aus der Luft
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Foto: Stadt Düsseldorf/ Kurt Nellessen

Dass sich Schließungen und Weggänge bei Industrie-Unternehmen häufen, ist auffällig. Es begann mit dem Aus der Produktion von Panzertürmen und Geschützen durch Rheinmetall in Düsseldorf im Jahr 1992. Bis in die 1990er Jahre war mit der Gerresheimer Glas eine der größten Glashütten der Welt in Düsseldorf, mit zeitweise 8000 Mitarbeitern. Diese wurde erst verkauft und 2005 geschlossen. Bald sollen auf dem Gelände Wohnhäuser entstehen. Zwar ist der Sitz der Gerresheimer AG noch in Düsseldorf, doch arbeiten dort weniger als 100 Menschen. Die großen Werke des 10 000-Mann-Konzerns sind heute andernorts. Ein schwerer Schlag traf Düsseldorf 2010, als ThyssenKrupp seinen Sitz im markanten Dreischeibenhaus überraschend aufgab und nach Essen zog. Andere verließen die Stadt auf anderem Weg: Der Tierfutterhersteller Muskator musste 2013 Insolvenz anmelden. Der Suppenhersteller Zamek wollte Teile der Produktion nach Polen verlegen. Dazu kam es nicht mehr, auch Zamek ist inzwischen insolvent, die Zukunft ungewiss.

Was sind die Ursachen für den industriellen Exodus? Düsseldorf ist mit hohen Immobilienpreisen und hohen Gehältern einer der teuersten Standorte. Die Anzahl industriell nutzbarer Flächen ist gering. Und der Anreiz, Industrieflächen zu Wohngebieten umzuwidmen, ist angesichts der enormen Nachfrage nach Wohnraum unbändig. Außerdem sinkt die Akzeptanz von Industrie. Das zeigt sich etwa beim Widerstand der Bürger im Düsseldorfer Süden gegen den Ausbau des Reisholzer Industriehafens zu einem Containerterminal. Henkel und der Kranbauer Terex brauchen den Hafen dringend. Aber viele Düsseldorfer wollen die verwilderte Fläche lieber als Grünland erhalten. Auch der Widerstand gegen die Steigerung der Starts und Landungen am Düsseldorfer Flughafen ist ein solches Signal. Denn die Industrie fordert diese Ausweitung vehement.

Historische Bilder vom Düsseldorfer Wiederaufbau
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Die erfolgsverwöhnte und formell schuldenfreie Stadt muss aufpassen. Düsseldorf ist nicht unantastbar. Zwischen 24 und 30 Prozent der Wertschöpfung in der NRW-Hauptstadt leistet die Industrie - nicht Banken, Mode und Werbebranche, wie viele industriefremde Düsseldorfer lange hofften. Düsseldorf sowie die Nachbarkreise Mettmann und Neuss sollten sich schön machen für die Industrie. Auch wenn die Wegzüge noch nicht ins Gewicht fallen - mit den aktuellen Entscheidungen von Daimler, SMS und Co. werden die Weichen für die Lage der Region in zehn Jahren gestellt.

(RP)
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