Düsseldorf Zwei Skeptiker von der Liebe erwischt

Düsseldorf · In "Midsummer – eine Sommernacht" verbringen eine Anwältin und ein Kleinkrimineller ungeplant eine Nacht miteinander und werden von ihren Gefühlen überrascht. Ein musikalischer Abend mit Anna Kubin und Michael Kamp.

 Romantiker wider Willen: Michael Kamp und Anna Kubin in dem musikalischen Beziehungsstück „Midsummer — eine Sommernacht“,das jetzt im Kleinen Haus des Schauspielhauses zu erleben ist.

Romantiker wider Willen: Michael Kamp und Anna Kubin in dem musikalischen Beziehungsstück „Midsummer — eine Sommernacht“,das jetzt im Kleinen Haus des Schauspielhauses zu erleben ist.

Foto: Sebastian Hoppe

In "Midsummer — eine Sommernacht" verbringen eine Anwältin und ein Kleinkrimineller ungeplant eine Nacht miteinander und werden von ihren Gefühlen überrascht. Ein musikalischer Abend mit Anna Kubin und Michael Kamp.

Helena und Bob misstrauen der Liebe. Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht. Und sie blicken nüchtern in die Welt: Helena erlebt als Scheidungsanwältin jeden Tag, wie lange Ewigkeitsversprechen halten. Und der kleine Ganove Bob hat schon so viele Freundinnen gehabt, dass er aus dem Blick verlor, was er in all den Affären eigentlich suchte.

Diese beiden Desillusionierten unterschiedlicher sozialer Klassen lässt der schottische Autor David Greig in einer hübschen Beziehungskomödie mit Musik aufeinandertreffen. In Edinburgh. In einer Mittsommernacht.

Die Großstädter sind einsam, Helena ist betrunken, und eigentlich wollen beide nur nicht alleine sein, als sie in einer Kellerbar ein Gespräch beginnen. Sie verbringen eine zufällige Nacht miteinander, begegnen einander zufällig wieder, und dann ist da noch eine Tüte voller Geld. Die Umstände machen die beiden Fremden zu Komplizen, sie hegen also keinerlei Erwartungen aneinander — und begegnen so doch dem Gefühl, an das sie nicht mehr glaubten: der Liebe, der einzigen Macht, die den modernen Menschen der Zufälligkeit entreißt.

In ihrer zweiten Regie-Arbeit am Düsseldorfer Schauspielhaus inszeniert Nele Weber das als reduziertes Kammerspiel. Der Sänger, Musiker und Komponist Oliver Welter von der Band "Naked Lunch" hat den Abend mit Musik von Gordon McIntyre eingerichtet, es erklingen Liebes- und Verlassenheitslieder zu Gitarre. Die flechten die beiden Darsteller des Abends, Anna Kubin und Michael Kamp, wunderbar gelassen in ihr Spiel ein. Der Zuschauer erlebt keine Nummern-Revue, sondern macht die Bekanntschaft zweier Menschen, die von ihrem Kennenlernen erzählen — und manchmal einen Song brauchen, um ihre Gefühle, ihre Stimmungslagen auszudrücken.

Obwohl das Stück ein Erzählstück ist — die Hauptdarsteller berichten ihre Erlebnisse in der Rückschau —, gelingt es Kubin und Kamp schnell, die Vorstellungsmaschine in den Köpfen der Zuschauer anzukurbeln. Humorvoll und präzise markieren sie die Stationen ihrer Liebe, erspielen sich unterhaltsame Episoden. Die beiden Darsteller sind sympathisch, musikalisch, harmonieren gut, ohne dass das Spannung zwischen ihnen kosten würde. Regisseurin Nele Weber vertraut ihnen zu Recht und legt den Abend ganz in ihre Hände. Nur manchmal schmeißt sie den Theaterapparat an, dann regnet es Liebe in Edinburgh, und die Sterne sprühen.

Ein kurzweiliger Abend ist das im Kleinen Haus, allerdings auch ein harmloser. Greig hat zum Thema Liebe moderner Großstadt-Individualisten nichts Neues zu sagen. Fast scheint der Abend altmodisch mit seinen liebesskeptischen Pointen und seiner drehbuchartigen Erzählweise. In Zeiten des Internetdatings ist die Liebe längst in einen viel hochtourigeren Modus geraten, steigt mit dem Effizienzdenken, den Kurzfristbeziehungen, den Turboenttäuschungen die Sehnsucht nach Halt, nach altmodischer Verbindlichkeit. Darum stehen Ehe und Familie heute wieder hoch im Kurs in jeder Jugendbefragung.

Greigs Figuren dagegen geben sich als Zyniker. Das Leben hat ihnen den Glauben an die Liebe ausgetrieben, aber ganz wollen sie sich die Illusionen doch nicht nehmen lassen. Darum flüchten sie am Ende aus ihrer Wirklichkeit in die Kunst. Eine Weile wollen sie es mit der Musik versuchen. Und vielleicht auch mit der Liebe.

Viel Applaus für zwei Darsteller, die diesen Abend zu ihrem machen.

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