Dormagen Raphaelshaus ein Modell für Russland?

Dormagen · Eine russische Delegation ließ sich gestern Nachmittag im Jugendhilfezentrum in Dormagen das Modellprojekt des Justizministeriums "Jugendstrafvollzug in freien Formen" erläutern. Dabei setzten sich die Gäste auf die Rote Couch.

 Die russische Delegation wurde auf der Roten Couch im Raphaelshaus interviewt (v.r.): Dozent Prof. Jurij Stalerov, Prof. Vadim Vinogradov, Leiter der Abteilung für Verfassungsangelegenheiten, und sein Stellvertreter Prof. Vladimir Kureev.

Die russische Delegation wurde auf der Roten Couch im Raphaelshaus interviewt (v.r.): Dozent Prof. Jurij Stalerov, Prof. Vadim Vinogradov, Leiter der Abteilung für Verfassungsangelegenheiten, und sein Stellvertreter Prof. Vladimir Kureev.

Foto: on

Das Jugendhilfezentrum Raphaelshaus war gestern Ziel einer Studienreise einer russischen Delegation. "Die Gäste waren sehr zufrieden", erklärte Raphaelshaus-Direktor Hans Scholten nach dem Besuch, den die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit aus Bonn geplant hatte. Die Vertreter der Rechtsakademie des Justizministeriums der russischen Föderation und des Ermittlungskomitees der Region St. Petersburg interessierten sich für präventive Modelle des Jugendschutzes, um daraus Anregungen für die eigene Arbeit zu erhalten.

So besuchten die russischen Gäste, die von Ministerialrätin Beate Wandelt aus dem Justizministerium NRW begleitet wurden, neben dem Kölner Haus des Jugendrechts unter anderem auch die Dormagener Horst-Wackerbarth-Gruppe als Modellprojekt des "Jugendstrafvollzugs in freien Formen". Scholten erläuterte den Experten die Konzeption und zeigte ihnen als kleine "Welturaufführung" einen Film, den die Jugendlichen gemeinsam mit dem Düsseldorfer Fotokünstler Horst Wackerbarth über das Leben in ihrer Gruppe gedreht hatten.

Beeindruckt zeigten sich die Besucher auch von den Fortschritten, die in der Gruppe erzielt wurden. Drei russische Gäste nahmen auch auf der Roten Couch Platz, auf der Horst Wackerbarth sonst seine Interviews führt. "Die Jugendlichen hatten Fragen vorbereitet, die ein Junge den Gästen im Sinne des Künstlers auf Augenhöhe stellte", erklärte Scholten.

Nach den Turbulenzen um die Ausbrüche dreier junger Straftäter aus der am 1. August 2012 gestarteten Horst-Wackerbarth-Gruppe vor genau einem Jahr hat sich die Arbeit normalisiert. "Mit der Gruppe und ihrer Entwicklung bin ich sehr zufrieden, das Konzept greift", betont Scholten. Das dreijährige Modellprojekt, das vom Justizministerium NRW initiiert und nach dem Bekanntwerden der Ausbrüche kurzzeitig gestoppt worden war, wird kontinuierlich weitergeführt. In der Gruppe leben zurzeit fünf Jugendliche im Alter von 16 bis 17 Jahren. Ein Jugendlicher wurde im August mit erfolgreichem Schulabschluss, dem Führerschein für Gabelstapler und einer fundierten Ersthelferausbildung entlassen. In seiner Heimatstadt leistet er ein Werkstattjahr ab und sucht eine Lehrstelle als Pferdewirt. Ein weiterer Jugendlicher bereitet sich jetzt auf seine Entlassung vor. Er hat den Realschulabschluss geschafft, absolviert ein Verwaltungspraktikum und wird auf die Handelsschule gehen.

Die Jungen sind in ein intensives sozialpädagogisches Programm eingebunden, lernen für den Schulabschluss und sind in "Übungsfelder beruflichen Handelns" (Zweiradmechanik, Stall, Verwaltung, Haustechnik) integriert. Das Modellprojekt im Raphaelshaus soll die Jungen auf das Leben nach ihrer Strafe vorbereiten. Damit soll die Rückfallquote gesenkt werden, die im Jugendstrafvollzug bei 60 Prozent liegt. "Die Jugendlichen erhalten so eine Chance, nicht wieder straffällig zu werden", erklärte Scholten bereits vor einem Jahr.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort