Neuss Vierbett-Zimmer für Asylbewerber

Neuss · Das ehemalige Krankenhaus der Alexianer Brüder in Neuss ist bezugsbereit. Am Samstag sollen laut Bezirksregierung die ersten 50 Menschen ankommen. Am Freitag wurden Betten hergerichtet und Lebensmittel geliefert. Die Landesregierung rechnet künftig mit etwa 1900 neuen Asylbewerbern pro Monat.

 Fast fertig für den Einzug: Die Etagenbetten werden von Mitarbeitern zusammengebaut. Viele aus dem 20-köpfigen Team, das die Asylbewerber in Neuss betreuen wird, haben selbst ausländische Wurzeln.

Fast fertig für den Einzug: Die Etagenbetten werden von Mitarbeitern zusammengebaut. Viele aus dem 20-köpfigen Team, das die Asylbewerber in Neuss betreuen wird, haben selbst ausländische Wurzeln.

Foto: Woitschützke, Andreas

Der Speiseplan für die ersten Tage steht schon: Lasagne mit Rindfleisch und Hähnchennuggets. Die Mitarbeiter einer Cateringfirma haben die Tiefkühlkost bereits angeliefert. Ziel sei es aber, versichert Heimleiter Jörg Thiel (45), schon bald auch frische Produkte wie Gemüse selbst zuzubereiten. Thiel wird ein bis zu 20-köpfiges Team leiten, das im Schichtdienst rund um die Uhr im Neusser Flüchtlingslager präsent sein wird. "Unsere Leute sind Profis", sagt Thiel, "die bringen Fachkenntnisse aus sozialen Berufen mit, die wissen aber auch viel über die kulturellen Eigenarten der Herkunftsländer der Flüchtlinge." Viele von ihnen haben selbst ausländische Wurzeln.

Im früheren Neusser Krankenhaus "St. Alexius" laufen die letzten Vorbereitungen für die Ankunft der ersten 50 Asylbewerber, die heute erwartet werden. In den kommenden Tagen sollen rund 100 folgen. Die auf maximal ein Jahr befristete Unterkunft soll als vierte zentrale Stelle in NRW mit Plätzen für 150 Asylbewerber Entlastung bringen. Derzeit sind alle Erstaufnahmestellen und Übergangsheime im Land belegt. Dabei muss sich NRW Prognosen zufolge in nächster Zeit auf etwa 1900 neue Asylbewerber pro Monat einstellen. Der Bund gehe insgesamt von einem monatlichen Zuwachs von 9000 Flüchtlingen aus, sagte die Landesvorsitzende der Grünen, Monika Düker am Freitag.

In den beiden NRW-Erstaufnahme-Einrichtungen in Dortmund und Bielefeld habe es in den vergangenen Tagen dreistellige Zahlen von Asylbewerbern gegeben: Am Donnerstag waren es 121, am Mittwoch 206 sowie am Dienstag 188 Flüchtlinge. Das Land brauche dringend eine dauerhafte Einrichtung, sagte Düker. Jedoch komme die Wiedereinführung der Visumspflicht für Menschen vom Balkan nicht infrage, bekräftigte sie. In Neuss werden die Zimmer meist für vier Personen hergerichtet. In den hellen Räumen stehen fast immer zwei Doppelstock-Betten. Auch an Großfamilien ist gedacht. Geräumige Zimmer stehen bereit.

Als Standard gelten "fünf bis sechs Quadratmeter pro Person", sagt Sascha Korte, Geschäftsführer des Unternehmens "European Homecare" (EH), das für die Einrichtung verantwortlich ist. Jedes Zimmer hat ein Waschbecken. Wer die gemeinschaftlichen Sanitäranlagen nutzt, muss über den Flur. Eine Krankenstation ist ebenfalls eingerichtet. Hinzu kommen Aufenthaltsräume. Die Bewohner haben Zugang zu einem begrünten Innenhof. "Das Haus hier in Neuss ist superschön", sagt Wahed Kabir (39), der im "St. Alexius" ein Team von Sozialbetreuern leitet. Er selbst floh aus seiner Heimat Afghanistan nach Deutschland und kennt die Sorgen und Nöte, aber auch die Hoffnungen der Asylbewerber aus eigenem Erleben. "Darum möchte ich den Menschen helfen, die zu uns kommen", sagt Kabir, der sieben Sprachen spricht. Auch dies ist ein Grund, warum ihn EH vor elf Jahren einstellte.

Im "St. Alexius" müssen er und sein Team strenge Auflagen beachten: Ein Sicherheitsdienst wird die Pforte kontrollieren - alle Bewohner erhalten einen Chip. "Sie werden beim Gehen und Kommen gescannt", sagt Thiel. Die Bezirksregierung richtet ein Büro für die Bearbeitung der Asylverfahren ein. Auch René Hartmann vom Deutschen Roten Kreuz weiß, wie wichtig es ist, in den ersten Tagen alles gut zu organisieren. Er betreut seit mehr als einer Woche gemeinsam mit 54 weiteren ehrenamtlichen Helfern 88 Asylbewerber in Mönchengladbach.

Tagsüber arbeitet er als Bankkaufmann, abends und nachts organisiert er das Leben in der Notunterkunft auf dem Gelände des Technischen Hilfswerks. Sein Arbeitgeber stellt ihn dafür frei. Hartmann ist Ansprechpartner in allen Belangen. "Viele brauchten Babynahrung. Wir mussten Kleidung und Schuhe besorgen, überprüfen, wer medizinisch versorgt werden muss", sagt er. Es sind viele Familien unter den Asylbewerbern.

Aber auch einige ältere oder kranke Leute, die besonders betreut werden müssten. Als eine von fünf schwangeren Frauen mit Vorwehen ins Krankenhaus musste, hat er sie gefahren. "Nur eine Frau in der Unterkunft spricht Deutsch. Sie übersetzt meist. Einige andere können ganz gut Englisch", berichtet Hartmann. "Viele sind sehr zurückhaltend", sagt er. Inzwischen hätten einige Vertrauen gefasst "und wenden sich auch mit schwierigen Fragen an uns".

Hartmann und seine Kollegen haben darauf geachtet, dass die Familien nicht voneinander getrennt werden, dass jeder in dem großen Raum durch ein paar abtrennende Stellwände ein bisschen Privatsphäre hat. Die Stimmung sei schwer zu beschreiben. "Manchmal ist es ganz still, obwohl es so viele Menschen sind."

(rm)
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