Vermisste Mädchen aus Deutschland Querdenker nehmen Kontakt zu Anwälten der Eltern auf

Düsseldorf/Essen · Die Eltern der Kinder, die mutmaßlich nach Paraguay entführt worden sind, werden von Düsseldorfer Juristen vertreten. Sie haben sich mit einem Offenen Brief an das Entführer-Paar gewandt, in dem sie diese um Vernunft bitten. Daraufhin hat es sogar Hinweise aus der Querdenker-Szene gegeben.

  Anne Maja Reiniger-Egler aus Essen hält das Foto ihrer vermissten zehnjährigen Tochter Clara Egler während einer Pressekonferenz in der Generalstaatsanwaltschaft.

Anne Maja Reiniger-Egler aus Essen hält das Foto ihrer vermissten zehnjährigen Tochter Clara Egler während einer Pressekonferenz in der Generalstaatsanwaltschaft.

Foto: dpa/Jorge Saenz

Andreas Egler sitzt mit seiner neuen Frau und den beiden Kindern Clara (10) und Lara (11) vor einer weißen Wand, während er in die Kamera spricht. „Wir sind die Familie Egler, die weltweit mittlerweile gesucht wird wie Schwerverbrecher, wie Mörder, wie Kriminelle. Aber das sind wir nicht“, sagt der 46-Jährige. In der etwa zweieinhalbminütigen Videobotschaft bitten sie darum, nicht weiter gesucht zu werden. „Ich will, dass die Welt weiß, dass ich freiwillig mitgekommen bin und nicht entführt worden bin“, ergänzt seine Tochter Clara.

Damit haben sich in dem Kriminalfall von mutmaßlicher Kindesentziehung von zwei deutschen Mädchen in Paraguay die Gesuchten öffentlich zu Wort gemeldet. Der Fall klingt wie ein Krimi: Andreas Egler, Vater von Clara und ehemaliger Fußballprofi, und Laras Mutter, eine in Opern-Kreisen sehr bekannte Frau, sollen im November vergangenen Jahres mit den beiden Kindern ohne die Zustimmung ihrer jeweiligen Ex-Partner nach Paraguay ausgewandert sein. Gegen das Paar liegt nach Angaben der paraguayischen Staatsanwaltschaft ein über die internationale Polizeibehörde Interpol verbreiteter Haftbefehl vor. In Deutschland ermittelt die Essener Staatsanwaltschaft und die Polizei.

Das Paar soll vor der Ausreise nach Paraguay einen Abschiedsbrief hinterlassen haben, in dem es sich gegen eine Impfung der Mädchen gegen das Coronavirus aussprach. Möglicherweise flüchteten sie vor den Corona-Maßnahmen nach Südamerika. Nach Angaben der paraguayischen Behörden wurden sie zuletzt im Januar gesehen. Es wird vermutet, dass die gesuchte Familie in einer Siedlung deutscher Impfgegner versteckt gehalten wird. Der südamerikanische Staat soll sich während der Corona-Pandemie zu einem Zufluchtsort für Deutsche entwickelt haben, die die hiesigen Corona-Maßnahmen ablehnen.

Seit mehr als einem halben Jahr sucht die Essenerin Anne Reiniger-Egler nun schon nach ihrer Tochter. Sie selbst ist die Tochter des ehemaligen Essener Oberbürgermeisters Wolfgang Reiniger (CDU). Sie ist nach Paraguay gereist, um die Suche dort voranzutreiben. Vor wenigen Tagen hat sie im Fernsehen an ihren Ex-Mann appelliert: „Andreas, bitte melde dich und beende diese fürchterliche Situation, die mir und so vielen anderen den Schlaf raubt und uns kein normales Leben mehr führen lässt.“ Laras Vater Filip Blank ergänzt in einem Video auf Facebook: „Seit sechs Monaten habe ich weder ein Lebenszeichen noch eine Nachricht oder einen Brief oder ein Foto bekommen.“ Ihre Freunde, ihre Großeltern und ihr kleiner Bruder würden sie sehr vermissen, sagt er. In der Videobotschaft ruft er Laras Mutter zur Vernunft auf und bittet sie, ihre gemeinsame Tochter wieder herzugeben.

Strafrechtler Ingo Bott und sein Team von der Düsseldorfer Anwaltskanzlei „Plan A“ vertreten die Interessen von Anne Reiniger-Egler und Filip Blank. Die Juristen versuchen alles, damit die Kinder wieder wohlbehütet nach Deutschland zurückkommen. Bott richtete sich in einem öffentlichen Brief an die Gesuchten: „Tun Sie das Richtige. Melden Sie sich bei uns oder den Behörden. Unseren Mandanten geht es nicht um Strafe. Sie wollen mit Ihnen eine Lösung finden, die allen eine Zukunft in Frieden und eine Rückkehr in ein normales Leben ermöglicht.“

Auf den Offenen Brief seien bereits mehrere Hinweise eingegangen, so der Kanzleichef. „Das Signal der Dialogbereitschaft durch den Fahndungsaufruf war gut und richtig. Es kommt offensichtlich auch an“, sagte er unserer Redaktion. „Auch aus dem Umfeld der sogenannten Querdenker melden sich Menschen für die jetzt, da verstanden wird, dass tatsächlich Kinder entzogen wurden, rote Linien überschritten sind“, so Bott weiter. „Genau wie für die kindesentziehenden Personen bleibt natürlich auch hier die Hand ausgestreckt. Das große Ziel bleibt, das Wohl der Kinder zu gewährleisten. Dazu besteht in alle Richtungen die Bereitschaft, gemeinsam an einer guten Lösung zu arbeiten“, so der Düsseldorfer Strafrechtsexperte weiter.

Die Ermittler kommen den Gesuchten offenbar immer näher. Bei der Fahndung nahm die Polizei in Paraguay nun einen 35-jährigen Mann fest. Er soll der Familie ein Auto vermietet haben. Im Inneren des Fahrzeugs entdeckten die Ermittler Kinderkleidung. Bei einer Vernehmung wollen die Ermittler nun klären, ob es sich bei dem Mechaniker um einen Komplizen der Flüchtigen handelt.

(csh)
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