Grünen-Chefin Mona Neubaur im Interview „Laschet muss RWE von Deeskalation überzeugen“

Düsseldorf · Im Interview spricht NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur über die Geschehnisse im Hambacher Forst, über den bevorstehenden Landesparteitag der Grünen und die Frage, ob der Wald noch gerettet werden kann.

 Mona Neubaur (Archivbild).

Mona Neubaur (Archivbild).

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Der Kampf um den Hambacher Forst hat einen Toten, mindestens einen Schwerverletzten und offenbar auch zwei Brandanschläge auf Firmen zur Folge. Warum eskaliert die Gewalt?

Neubaur Der übergroße Anteil der Proteste ist friedlich, zum Teil sehr bürgerlich, Tausende beteiligen sich gewaltfrei an sonntäglichen Waldspaziergängen. Teil des Protests ist unter anderem der Diözesanrat des Bistums Aachen, auch evangelische Geistliche beteiligen sich. Wenn ein Konflikt eskaliert, gibt es selten einen Schuldigen, sondern mehrere Faktoren tragen dazu bei. Wir Grüne haben seit Monaten an alle Seiten appelliert, keine Gewalt auszuüben, auch nicht mit Worten zu eskalieren. Für uns galt und gilt: Wer Steine, Molotowcocktails oder Fäkalien auf Polizisten oder RWE-Mitarbeiter wirft, wer Brandstiftung begeht, der verabschiedet sich aus dem demokratischen Diskurs. Wer so etwas tut, ist kriminell und schadet der Sache.

Klar ist aber auch: Die Rhetorik und Handlungen des Innenministers haben nichts zur Beruhigung der Lage beigetragen. Er kriminalisiert tausende friedliche Demonstranten, die einen Stopp der Kohle und Klimaschutz fordern.

Wie kann die Eskalation gestoppt werden?

Neubaur Es muss Ruhe in die Angelegenheit kommen, deshalb fordern wir weiterhin ein Rodungsmoratorium für den Hambacher Wald. Friedliche Proteste müssen ermöglicht, anerkannt und ernst genommen werden, diese sind Teil unserer Demokratie.

Innenminister Reul findet es „unverantwortlich“, dass die Grünen am Sonntag auch noch eine Parteiveranstaltung ausgerechnet am Hambacher Forst planen. Warum machen Sie das?

Neubaur Beim Landesparteirat diskutieren wir innerhalb unserer Partei über die Zukunft der Energieversorgung in NRW. Dazu wollen wir an jenem Ort beraten, an dem der Konflikt um die Klima-Katastrophe in den vergangenen Wochen an einem Symbol überdeutlich geworden ist. Dieser Parteitag trägt diese Diskussionen geregelt und gesittet aus – ohne jede Eskalation. Wir diskutieren den Konflikt dort, wo er hingehört: auf der politischen Bühne. Diesen Weg sollte die Landesregierung schnellstmöglich betreten – und ihren Weg der Eskalation und des rücksichtlosen Durchsetzens von RWE-Interessen verlassen.

Auf welcher Rechtsgrundlage könnte die Landesregierung die Rodung des Waldes jetzt noch verhindern?

Neubaur Die Rechtslage ist solange nicht klar, bis das OVG entschieden hat. Das Ergebnis könnte sein, dass RWE den Wald in dieser Rodungssaison abholzen darf. Es gibt aber keinen Zwang dazu. RWE selbst hat doch ein Moratorium ins Spiel gebracht. Jetzt sind Armin Laschet und seine Minister gefragt, RWE von einer Deeskalation zu überzeugen. Bislang hat sich Schwarz-Gelb in keinster Weise für den gesellschaftlichen Frieden in dieser Frage eingebracht.

Experten sagen, der Hambacher Forst sei wegen der Sümpfungen im Umfeld und anderer Maßnahmen ohnehin nicht mehr zu retten, selbst wenn der Braunkohleabbau heute gestoppt würde. Stimmt das?

Neubaur Ob der Wald gerettet werden kann, ist zunächst eine Frage des politischen Willens. Wenn es jetzt kein Rodungsmoratorium gibt, beantworten die Kettensägen von RWE diese Frage. Dann ist der Wald weg. Mit einem ambitionierten Ausstiegsszenario bis 2030 bräuchte man nur noch rund 15 Prozent der verfügbaren Fördermenge. Das hätte aus unserer Sicht auch Auswirkungen auf die Kohle unter dem Wald. Darüber hinaus gibt es auch aus der Braunkohlewirtschaft Widerspruch an der technischen Darstellung RWEs, dass eine Rodung aufgrund der Böschungslage notwendig ist.“

Warum haben die damals mitregierenden Grünen die Abholzung von Hambach in der jüngsten Leitentscheidung nicht verhindert?

Neubaur Bei der politischen Grundsatzentscheidung 2014 ging es in erster Linie darum, Umsiedlungen im Abbaugebiet Garzweiler II zu verhindern. Den Grünen ist es damals gelungen, dass 1400 Menschen in ihrer Heimat bleiben konnten. Damit verbunden war das Zugeständnis, dass die Abbaugenehmigung für Hambach aus den 1970er Jahren unangetastet bleibt. Zu diesem Kompromiss stehen wir nach wie vor, denn nur so konnten erstmals und bisher einmalig in Deutschland die Abbaugrenzen eines genehmigten Braunkohlentagebaus verkleinert werden. Zur Wahrheit gehört auch, dass wir Grüne bereits zu Beginn der Verhandlungen im Jahr 2014 es nicht mehr als energiepolitisch notwendig ansahen, die beschlossenen Fördermengen im Rheinischen Revier komplett abzubauen. Mit dieser Forderung konnten wir uns damals leider nicht gegen die SPD durchsetzen.

Thomas Reisener führte das Gespräch.

(tor)
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