Kriminelle Großfamilien in NRW Clans dringen in ländlichen Raum vor

Düsseldorf · Die Machenschaften krimineller Familienbanden betreffen nicht mehr allein die Großstädte in NRW. Geschäfte mit Drogen, Prostitution und Geldwäsche werden zunehmend auch auf dem Land gemacht. Der NRW-Innenminister sieht die Clan-Kriminalität auf dem Vormarsch.

 Immer öfter muss die Polizei - wie hier in Erkrath  - gegen organisierte Clan-Kriminalität vorgehen.

Immer öfter muss die Polizei - wie hier in Erkrath - gegen organisierte Clan-Kriminalität vorgehen.

Foto: dpa/schüller

Das Phänomen der Clan-Kriminalität greift von den Großstädten auf die ländlichen Räume in NRW über. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte unserer Redaktion: „Es gibt kriminell arbeitende Familien im ländlichen Raum, die ähnlich wie die Clans im Ruhrgebiet arbeiten. Etwa am Rand der niederländischen Grenze.“

Die Schwerpunkte der Clans in NRW liegen bislang in Essen, Dortmund und Duisburg. Vor allem in Essen breiten sich die auf kriminelle Geschäfte spezialisierten Großfamilien überwiegend libanesischer und türkischer Abstammung derzeit massiv aus. Nach Beobachtung der NRW-Sicherheitsbehörden beschränken sie ihre Aktivitäten längst nicht mehr auf abseitige Stadtteile. Laut Reul verdienen die Clans ihr Geld mit illegalen Aktionen aller Art, wobei die Geschäfte mit Drogen, Prostitution und Geldwäsche besonders hervorstechen.

Genaues Datenmaterial zu den ländlichen Aktivitäten der Clans gibt es noch nicht. Laut Reul ist der Umfang auch nicht mit den Machenschaften der Clans in den Großstädten zu vergleichen.„Aber auch im ländlichen Raum versuchen Clans Strukturen aufzubauen, um kriminelle Millieus zu beherrschen, beispielsweise das Drogengeschäft. Ich vermute, diese Strukturen gibt es im ländlichen Raum auch schon länger“, sagte Reul.

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wird die Essener Innenstadt rund um den Hauptbahnhof bereits weitgehend von kriminellen Clans kontrolliert. Volker Huß, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) berichtete: „Die Philosophie der Clans lautet: Die Polizei ist schwach, wir sind mehrere. Wir müssen unsere Macht demonstrieren.“ Die Clans würden der Polizei ins Gesicht sagen: „Das ist unser Stadtteil. Seht zu, dass ihr wegkommt.“ Die Familienbanden hätten sogar eine Form von eigenen Unterwelt-Gerichten.

Reul bestätigte, dass die Clans zunehmend „eine aggressive und respektlose Haltung gegenüber der Polizei“ zeigen. „Sie versuchen, ihr eigenes Gesetz zu etablieren. Da halten wir mit mehr Polizeipräsenz gegen“, sagte der Innenminister. Zugleich beklagte Reul, der Staat habe die Entwicklung von Parallelgesellschaften in NRW verschlafen. „Weder die Polizei noch Politik haben sich gekümmert.“

Die Sicherheitsbehörden versuchen, die Finanzströme der kriminellen Organisationen zu zerschlagen. Erich Rettinghaus, NRW-Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sagte: „Wir müssen versuchen, deren Vermögenswerte abzuschöpfen.“ Dabei müsse der Gesetzgeber aber helfen. Die DPolG fordert eine Beweislastumkehr: „Es kann nicht sein, dass wir denen nachweisen müssen, woher sie ihre Gelder für die teuren Luxusautos und Häuser haben. Es stimmt etwas nicht, wenn jemand Hartz IV bezieht, aber mit den teuersten Autos herumfährt.“

Die Grünen im Landtag mahnen als Antwort auf die Ausbreitung der Clan-Kriminalität im ländlichen Raum eine Polizeireform an: „Die zersplitterten Polizeistrukturen außerhalb der Ballungsräume sind nicht wirklich auf dieses Kriminalitätsphänomen vorbereitet“, sagt Grünen-Fraktionschefin Monika Düker. 47 Kreispolizeibehörden mit unterschiedlichsten Zuständigkeiten und Spezialisierungen würden in NRW „einen enormen Abstimmungsaufwand, aber nicht mehr Sicherheit produzieren“.

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