Wahlrecht Gutachten: Landtag könnte auf 315 Sitze anschwellen

Düsseldorf · Die Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer fordert eine Wahlrechtsreform und schlägt eine Reduzierung der Wahlkreise von 128 auf 91 vor. Rückendeckung bekommt sie dabei aus der Wissenschaft. Im Raum steht die Sorge vor einem Imageschaden für die Politik.

 Luftaufnahme des Düsseldorfer Landtags.

Luftaufnahme des Düsseldorfer Landtags.

Foto: dpa/Marius Becker

(maxi) Der Düsseldorfer Landtag platzt bereits aus allen Nähten. Ein Anbau soll Abhilfe schaffen. Baubeginn könnte Ende 2021 sein, so die Landtagsverwaltung. Doch es könnte schon vor Fertigstellung sehr viel beengter werden. Das unterstreicht ein Gutachten des Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienstes, das die Chefin der Grünen-Landtagsfraktion, Verena Schäffer, in Auftrag gegeben hat und unserer Redaktion vorab vorliegt. 

Die Grünen-Politikerin hat den wissenschaftlichen Dienst gebeten, verschiedene Wahlausgänge durchzurechnen und zu ermitteln, wie sich die Zahl der Mandate ändert. Hintergrund sind die sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate. Erringt eine Partei in den Wahlkreisen mehr Direktmandate, als sie Anteil an Zweitstimmen erreicht hat, wird die Anzahl der Sitze so weit erhöht, dass die Landtagszusammensetzung auch das Zweitstimmverhältnis ordentlich widerspiegelt. Nordrhein-Westfalen hat 128 Wahlkreise. Die übrigen 53 Abgeordneten werden aus den Landeslisten mit der Zweitstimme gewählt. Bei der Wahl 2017 führten sechs Überhangmandate dazu, dass es für die anderen Parteien zwölf Ausgleichsmandate gab. Der Landtag besteht aktuell aus 199 Abgeordneten.

Für die berechneten Szenarien wurden als Zweitstimmergebnis das Kommunalwahlergebnis 2020, eine Infratest-Umfrage aus dem September sowie eine Insa-Umfrage aus dem Oktober zugrunde gelegt. Für die Erststimmen wurde eine Prognose von Election.de aus dem November sowie von Wahlkreisprognose.de aus dem September herangezogen. Gemeinsam haben die Ergebnisse allesamt: Der Landtag würde deutlich größer – zwischen 26 und 116 zusätzliche Mandate zum derzeitigen Landtag.

„Legt man die aktuelle Wahlprognose von Ende Januar zugrunde, hätte der nächste Landtag 265 statt der vorgesehenen 181 Abgeordneten“, sagt Grünen-Politikerin Schäffer. Neben den faktischen Problemen für die Arbeitsfähigkeit des Landtags könne auch der Eindruck bei den Bürgern entstehen, dass die Abgeordneten einen Selbstzweck verfolgen. „Wir Grüne fordern daher eine Wahlrechtsreform, um das Anwachsen des Landtags zu beschränken.“ Eine Lösung könnte Schäffer zufolge die Reduzierung der Wahlkreise von aktuell 128 auf 91 sein, sodass die Mandate jeweils zur Hälfte über die Direktmandate und über die Listenplätze besetzt werden.

Rückendeckung für eine Reform kommt aus der Wissenschaft. Der Düsseldorfer Politologe Thomas Po­guntke sagt, auch wenn die zugrunde gelegten Zahlen mit Vorsicht zu genießen seien und die Bandbreite mit 26 bis 116 zusätzlichen Mandaten recht groß sei, sei die Politik gut beraten, die Entwicklung nicht einfach hinzunehmen: „Es wäre schädlich für das Ansehen, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstünde, dass sich die Parteien selbst bedienten. Immerhin reden wir über gut bezahlte Jobs.“ Am Ende dürften Wahlen auch durchaus einmal schmerzhaft für die Parteien sein, wenn diese einen Mandatsverlust mit sich brächten, so Politikprofessor Poguntke.

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