Kunst-Schau auf der Königsallee Die wunderbare Welt der Zeichnung

Die Galerie Ludorff zeigt in der aktuellen Ausstellung „Drawn World“ Meisterwerke von Adolph von Menzel bis Andy Warhol.

 Blick in die Ausstellungsräume und die aktuelle Schau „Drawn World“ der Galerie Ludorff.

Blick in die Ausstellungsräume und die aktuelle Schau „Drawn World“ der Galerie Ludorff.

Foto: Galerie Ludorff

Gedanken an Träume und Illusionen, an Liebe und Lebensschmerz werden wach. Die Jahreszahl verrät, was das Auge längst begriffen hat: Als die in Königsberg geborene Käthe Kollwitz mit Tusche und Deckweiß auf Papier ihre „Schwangere Frau“ zeichnet, setzt sie ihrem Signum den Zusatz „Verfluchter Segen“ hinzu. Das kleine Blatt trägt die Jahreszahl 1921. Es war eine schwere Zeit, wenige Jahre zuvor war ihr Sohn Peter gefallen. Der Erste Weltkrieg hatte sie darüber hinaus in eine Schaffenskrise gestürzt. Man wusste von ihr, dass das Muttersein zu den wichtigsten Grunderfahrungen ihres Lebens gehörte. Als Künstlerin klagte Kollwitz schon zu ihrer Zeit über die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Zeichnungen sind Vibrationen der Seele. Liest man auch all dies nicht direkt aus der Zeichnung, so ist doch ihr Klang traurig getönt. Das Frauengesicht wirkt hart, männlich, alt, die schweren Hände sind über dem Bauch gefaltet. Ein starkes Bild.

Zeichnungen klingen anders als Gemälde, auch wenn sie sich mitunter fast so vielstimmig verbreitern können wie diese. Zeichnungen sind oft sehr privat, furchtbar intim, schamlos. Andererseits können sie flüchtig sein, hingehaucht, gekritzelt, ohne Rand und Boden. Es sind oft Andeutungsversuche, Entwürfe, Studien – meist Psychogramme eines Künstlers, über den sie Auskunft erteilen. Auch wenn es nur die ist, dass er das Motiv als Vorstufe zu einem großen Werk betrachtet.

„Die Zeit schreit danach, Zeichnungen in ihrer Ruhe und Zartheit auszustellen“, sagt Manuel Ludorff, der sich mit der aktuellen Galerieschau selber einen Herzenswunsch erfüllt. Viele Künstler sind darunter, die noch nie bei Ludorff gastierten.

Nicht alles, was zum Verkauf angeboten wird, stammt aus der eigenen Sammlung. Manuel Ludorff hat einige Jahre Ausschau nach seinen Lieblingen der Zeichenkunst gehalten, auf Auktionen, Messen, bei Privatsammlern und Kollegen. So hat er diese exquisite Schau „Drawn World. Zeichnungen von Menzel bis Warhol“ zusammengesucht. Ernst Ludwig Kirchners „Kleine Tänzerin – Kabarettistin“ kommt etwa direkt aus New York nach Düsseldorf, 50 Jahre lang hat sie zuvor im Grafik-Saal des Metropolitan-Museums verbracht, um in Abstimmung mit den Erben auf den Markt gebracht zu werden. Der mit 420.000 Euro angesetzte Egon Schiele, „Portrait eines Kindes (Anton Peschka, Jr.), ist aus London angereist, von wo ihn ein befreundeter Galerist ausborgt.

So groß und ausschließlich gab es Zeichnungen noch nie in den Räumen an der Kö. Die 65 Arbeiten wurden thematisch geordnet, die Künstler miteinander konfrontiert.  Heinz Mack gesellt sich zu Otto Piene und Land-Art-Künstler Richard Long. Das passt. Auf der farbig strahlenden Wand reiht sich Meisterwerk an Meisterwerk, Schlemmer, Dix, Liebermann.  Eine Ecke für sich beansprucht das einzigartige „Portrait von Fräulein Hanna Maercker“, das Adolph von Menzel 1848 schuf.  Niemand kann es übersehen. Eine kleine museale Ausstellung ist den Galeristen gelungen, die nachhaltiger glücklich machen dürfte als ein Stück Sahnetorte. Im ausführlichen Katalogbuch sind Anhänge zu jedem Werk mit Provenienz-Nachweisen versehen, zwei Kunsthistorikerinnen zeichnen die Entwicklung der Zeichnung zur autonomen Kunstform nach. Auch Kaufgelüste lassen sich in jeder Gehaltsklasse befriedigen, das preiswerteste Stück kostet 1900 Euro, das teuerste fast eine halbe Million.

Junge Sammler sollen angesprochen werden – ob sie am Ende Andy Warhol wählen oder Horst Janssen, wäre spannend zu erfahren. Hätte Janssen seine Zeichnung „Liegender weiblicher Akt“ heute mit Bleistift auf Papier gebracht, würde man sagen, er ist auf der Höhe der Zeit. Der Akt ein bisschen surreal. Beinahe psychedelisch wirkt diese sogenannte „Fleisch-Zeichnung“. Auf jeden Fall ist sie betörend schön, weil sie die Fantasie auf Reisen schickt. Das alles kann Zeichnung.

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