Corona Wen das Virus besonders gefährdet

Zu den Risikogruppen für eine schwerer verlaufende Covid-19-Erkrankung zählen unter anderem Männer und Diabetiker.

 Zucker-Selbstmessung.

Zucker-Selbstmessung.

Foto: AFP/FRANCK FIFE

Neben älteren, atemwegskranken und immunschwachen Menschen werden auch immer wieder Männer, Diabetiker und Bluthochdruckpatienten als Risikogruppen in der Corona-Krise genannt. Doch ein näherer Blick zeigt, dass dies nur in bestimmten Fällen gilt.

Mit etwas über 250.000 Einwohnern war der Kreis Heinsberg bisher nur den wenigsten außerhalb des Rheinlands ein Begriff, doch seit März hat sich das grundlegend geändert. Denn die Gemeinde zwischen Aachen und Mönchengladbach gilt als ein Epizentrum der Corona-Epidemie in Deutschland. Sie ist daher aber auch wie geschaffen, um Aufschlüsse darüber zu gewinnen, welche Menschen zu den bevorzugten Opfern des Virus gehören.

Ein Forscherteam um den Intensivmediziner Michael Dreher hat nun im „Deutschen Ärzteblatt“ einen Bericht zu den ersten 50 Patienten veröffentlicht, die im Februar – aufgrund der Schwere ihrer Symptome – an der Uniklinik Aachen behandelt wurden. Er bestätigt, dass bestimmte Menschen offenbar in einem besonderen Maße durch eine Covid-19-Infektion gefährdet sind. So waren zwei Drittel der Patienten männlich, und praktisch alle hatten eine Vorerkrankung: 70 Prozent litten unter Bluthochdruck, und knapp 60 Prozent an Diabetes, und etwa die Hälfte waren an den Atemwegen erkrankt. Mit Letzterem durfte man rechnen, insofern das Virus sich bevorzugt in Lungen und Bronchien einnistet. Und auch damit, dass Krebserkrankungen anfällig für ihn machen, insofern die – spätestens mit der Therapie – zu einer extremen Immunschwächung führen.

Doch warum sind auch Männer, Diabetiker und Bluthochdruckpatienten gefährdet? Bei den Männern ist die Corona-Todesrate sogar doppelt so hoch wie bei den Frauen. Doch das liegt, wie Marcia Stefanick von der kalifornischen Stanford University ermittelt hat, vor allem daran, dass es mehr männliche als weibliche Raucher gibt. „Und Rauchen“, so die Präventionsmedizinerin, „schwächt die Atemwege, die bekanntlich das Hauptziel der Infektion sind“. Das grundsätzlich robustere Immunsystem der Frauen spiele bei den Geschlechterunterschieden in der Corona-Epidemie hingegen nur eine sekundäre Rolle.

Für den häufigen Bluthochdruck unter den schwer erkrankten Covid-19-Patienten bieten sich ebenfalls indirekte Erklärungen an. So befinden sich unter den Hypertonie-Patienten viele ältere Menschen mit bekanntermaßen schwächerem Immunsystem. Einige Mediziner vermuten aber auch, dass die bei Bluthochdruck oft verordneten ACE-Hemmer das Infektionsrisiko erhöhen. Als Erklärung dafür wird ein Enzym namens ACE2 angegeben, das sich auf der Oberfläche der Lungenzellen befindet und von den Viren wie ein Enterhaken benutzt wird, um in die Zelle einzudringen. Die eigentliche Aufgabe des ACE2-Enzyms besteht jedoch darin, bestimmte Blutdruckhormone abzubauen – und genau diese Aufgabe entfällt, wenn die den Blutdruck senkenden ACE-Hemmer ins Spiel kommen. Die Folge: Auf der Oberfläche der Lunge bleiben mehr beschäftigungslose ACE-Enzyme, die den Viren als Andockstelle dienen können.

Florian Limbourg von der Deutschen Hochdruckliga warnt jedoch: „Der mögliche schädliche Einfluss von Blutdrucksenkern auf die Virus-Infektanfälligkeit ist äußerst spekulativ.“ In klinischen Studien habe sich sogar gezeigt, dass diese Mittel bei schwerem Lungenversagen, das zu den berüchtigten Schwerstsymptomen einer Covid-19-Infektion gehört, durchaus hilfreich sein könnten, weil sie den Blutdruck im Lungenkreislauf senken. Außerdem würden sie, so der der Kardiologe weiter, die ACE2-Enzyme nicht nur auf den Zellen, sondern auch im Blut erhöhen, wo sie dann den Virus wie einen Köder anlocken und aus dem Verkehr ziehen könnten.

All diese Effekte machen die ACE-Hemmer natürlich noch nicht zu einem überprüften Medikament gegen Covid-19. Doch sie sollten den Hypertonie-Patienten davon überzeugen, dass er seinen Blutdrucksenker nicht absetzt. Ganz zu schweigen davon, dass diese „Strategie“ bei Hochrisikopatienten zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen könnte. Und damit würde man, warnt Limbourg, „das Kind mit dem Bade ausschütten“.

Die rund 7,5 Millionen Menschen mit Diabetes hierzulande müssen ohnehin nicht befürchten, dass sie automatisch zu den Corona-Risikogruppen gehören. „Ein junger Diabetes-Patient, dessen Stoffwechsel stabil und nahe der Normalwerte von unter 100 mg/dl eingestellt ist und der noch nicht unter Folgeerkrankungen leidet, muss sich nicht mehr Sorgen machen als andere Menschen auch“, beruhigt Baptist Gallwitz von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft. Ein größeres Risiko bestünde vor allem für ältere Patienten, deren Diabetes schon länger besteht und die schon mit Begleit- und Folgeerkrankungen wie Fettleber, Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht und Bluthochdruck zu tun haben.

Was aber nicht bedeutet, dass hoher Blutzucker an sich kein Problem ist. Werte von 200 mg/dl bereiten den Weg für Covid-19, insofern sich überall da, wo es warm und feucht ist und ein überreiches Zuckerangebot vorliegt, besonders leicht Keime ansiedeln und vermehren können. Zudem schwächen hohe Blutzuckerwerte die Immunabwehr, sie führen zu einer Hemmung der weißen Blutkörperchen. „Und es kommt zu einer Entzündungsreaktion, welche die Barrierefunktion der Schleimhäute und kleinen Blutgefäße schwächt, so dass sie durchlässiger für Keime und Viren werden“, warnt Gallwitz, der an der Uniklinik Tübingen als Professor für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie lehrt.

In Corona-Zeiten ist es also wichtiger denn je, dass Diabetes-Patienten ihren Blutzuckerspiegel unter Kontrolle halten. Von den dazu notwendigen Medikamenten geht in der Regel keine Gefahr aus. Allerdings sollten Patienten, die Metformin, ein Mittel aus der Gruppe der so genannten SGLT-2-Hemmer oder Sulfonylharnstoffe einnehmen, damit pausieren und überbrückend auf Insulin ausweichen, sofern sie unter einer schweren Infektion mit hohem Fieber über 38,5°C leiden. Der Grund: Bei hoher Körpertemperatur wird oft die Nierenfunktion eingeschränkt, was zu einer Anreicherung und damit einer Überdosierung des Medikaments führen kann.

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Foto: dpa/Arne Dedert
 Eine Seniorin auf der Breite Straße in Köln mit Atemschutzmaske.

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Foto: dpa

Doch diese Problematik gilt nicht nur für Covid-19, sondern auch für andere schwere Infekte. „Und die Medikamentenpause und der zeitweilige Umstieg auf Insulin sollte nicht in Eigenregie, sondern unbedingt unter ärztlicher Aufsicht erfolgen“, warnt Gallwitz.

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