Krautrock-Klassiker Popol Vuh erneuerten den Pop

München · Eine neue Edition würdigt die Zukunftsmusik der tollen Münchener Band.

Popol Vuh und Florian Fricke werden mir neuer LP-Edition gewürdigt
Foto: label

Der Name der Platte klingt arg nach 70er Jahren, Räucherstäbchen und Süß-Rauch-Schwaden, bisschen bescheuert, bisschen prätentiös: „Hosianna Mantra“. Aber bloß nicht abschrecken lassen davon, sondern auflegen, dann hört man diese Musik, und sie ist so toll, dass man am liebsten gleich einziehen würde in diese Kompositionen. Piano, Oboe, Cembalo und E-Gitarre, dazu eine Stimme, die nicht singt oder spricht, sondern lautmalt. Man atmet unwillkürlich aus, und sehr schön passend heißt das erste Stück denn auch: „Ah!“.

Popol Vuh haben dieses Album 1971 veröffentlicht, und dass nun sicher viele denken, „Popol Watt?“, ist ein Skandal. Die Band aus München, die sich nach dem zentralen Schriftstück der Maya-Kultur benannte, hat im Gegensatz zu Zeitgenossen wie Can und Neu! hierzulande sträflich wenig Aufmerksamkeit bekommen. Dabei galten Lennon und Dylan als Fans, Richard Avedon ließ ihre Musik in seinem Fotostudio laufen, und Brian Eno berief sich auf sie, als er 1978 mit „Music For Airports“ die Ambient-Musik erfand.

Kopf der Band, deren Besetzung oft wechselte, war Florian Fricke. Er galt als Wunderkind, gewann als Zwölfjähriger Klavierwettbewerbe. Er wurde von Joachim Kaiser gefördert, schrieb Kritiken für die SZ; erst über klassische Musik, dann über Rock und schließlich über Zappa. Und durch ihn erkannte Fricke, dass man sich mit Musik das Neue erschließen kann. Parallel zu Kraftwerk, Can und Amon Düül arbeitete er fortan an einer eigenen deutschen Popmusik-Kultur. Das waren Künstler, die keine Lust hatten, angelsächsische Vorbilder zu imitieren. Sie experimentierten, mischten New Age in ihre Jam-Sessions, Jazz, Naturaufnahmen, fernöstliche Klänge und Percussion, und sie schufen so, was man heute als „Krautrock“ bezeichnet.

Die „Essential Album Collection“ dokumentiert nun die Entwicklung Popol Vuhs, die mit autodidaktischen Experimenten am Moog-Sythesizer begann, von dem es in Deutschland damals nur zwei gab – der andere stand bei Eberhard Schoener. Die Arrangements wurden immer ausgefeilter; Florian Fricke, der auch Weltreisender war, Yoga-Fan und Atemtherapeut, komponierte Choräle. Und alles fließt und leuchtet, und wäre man Schamane, wüsste man schon, zu welcher Musik man künftig heilte.

Werner Herzog engagierte Popol Vuh als Komponisten für seine Filme. In dieser Box finden sich die Soundtracks für „Aguirre“ und „Nosferatu“, und was Herzog über die Gruppe sagte, hat Bestand: Sie schuf Klang-Landschaften von einer Qualität, die auf die Seele wirkt.

Popol Vuh lebten wie die Krautrock-Kollegen Harmonia in einer Kommune, ihr Pfarrhof in Peterskirchen war ein Hotspot des Jet Set – Jack Nicholson und Angelica Houston schauten vorbei, Warren Beatty, Fassbinder und Langhans. Die 1970er Jahre waren die große Zeit von Popol Vuh, danach kam viel Kram, muss man ehrlich sagen, es überwog schließlich die Esoterik. Florian Fricke ging zudem nicht gut mit sich um, er trank, und 2001 starb er 57-jährig an einem Schlaganfall.

Ein großer Künstler ist (wieder) zu entdecken. Wer nicht genug bekommen kann, besorge sich auch die Platte „In den Gärten Pharaos“.

Zukunftsmusik von gestern. Zeitlos schön.

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