Neue Ausstellung in Schüttes Skulpturenhalle Der Bildhauer als Baumeister

Neuss · Einmal im Jahr nutzt der Bildhauer Thomas Schütte die Skulpturenhalle seiner Stiftung auf der Raketenstation Neuss für eigene Ausstellungen. Jetzt zeigt er dort Modelle von Gebäuden, die von ihm geplant wurden.

Ein durchgestaltetes Konzept brauchte er nicht. Bildhauer Thomas Schütte weiß, was er macht und gemacht hat, kennt den Ausstellungsort wie seine Westentasche und kann sich in dessen Ausgestaltung auf seine Mitarbeiter verlassen. Einmal im Jahr wird die Skulpturenhalle seiner Stiftung auf der Raketenstation in Neuss allein mit Arbeiten aus seinem Atelier bestückt, aktuell zeigt er dort Modelle von Bauten, die in drei Kategorien einzuteilen sind: erstens die realisierten, zweitens die ausschließlich in der Fantasie existierenden und drittens die, die immerhin realisiert werden könnten. „Die meisten Modelle sind aus meinem Besitz“, sagt der Künstler, „aber einige habe ich auch zurückgeholt.“ Das Modell von dem Pavillon zum Beispiel, der in Krefeld zum 100-Jährigen des Bauhauses eröffnet wird.

Im Gegensatz zu Architektur-Modellen, die in der Regel im Maßstab 1:50 gemacht werden, wie Schütte sagt, fertigt er seine Modelle immer im Maßstab 1:20, der dem von Bühnenbildnern entspreche. „Sie werden auch als ‚gebaute Bilder’ bezeichnet“, erklärt der Künstler, der sich bei der szenischer Ausgestaltung allerdings in den meisten Fällen zurückgehalten hat.

Vor allem die Modelle der realisierten Bauten wirken schlicht und nüchtern. Natürlich gehört auch die von Schütte entworfene Skulpturenhalle dazu, überraschend ist hingegen, was er ihr an die Seite gestellt hat. Neben die Ausstellungshalle auf der Raketenstation will er eine zweite Halle bauen, in der Formensprache ähnlich, aber als unterirdisches Lager (500 Quadratmeter) und Archiv- und Bürogebäude (250 Quadratmeter) gedacht. Der Clou ist eine große Wohnung mit einem riesigen Balkon, der sich wie ein Schiffsbug in die Landschaft wölben wird: „Ich hoffe, als Mieter dafür eine Art Hausmeister zu finden“, sagt er und hofft auf Umsetzung in 2020.

Andere Modelle waren dagegen nie für eine Realisierung vorgesehen. Und so glaubt der Bildhauer gar nicht erst daran, dass das hermetisch geschlossene „Bank“-Gebäude tatsächlich irgendwo gebaut wird. Ähnliches hat es mit dem „Krankenhaus“ auf sich. Das „Puppenhaus“ mit Playmobil-Figuren dagegen wirkt realitätsnah, auch wenn das Modell aus Fundstücken gebaut, in einen Käfig gestellt wurde und Plastikblumentöpfe die Deko sind. Auch die Bunker-Modelle „Nase“ und „Auge“ gehören dazu. Ihre Namen bekamen sie übrigens ob ihrer formalen Ähnlichkeit mit den Sinnesorganen. Anderes könnte man immerhin bauen, meint Schütte und zeigt auf „Amüsement“, ein schwarzes Gebäude, das nach seiner Meinung die Heimstatt von „digitaler Kunst“ werden könnte.

Und dann gibt es noch jene Arbeiten, an denen mehr hängt. So ganz ist der Stolz in Schüttes Stimme nicht wegzuhören, als er die Geschichte des von ihm als Fantasieprodukt geplanten Ferienhauses erzählt. Das Modell hatte einen Besucher nämlich so begeistert, dass er es in Tirol bauen ließ. Mit Kamin und vermutlich auch mit einer Küche dort, wo sie in Schüttes Modell schon zu sehen ist. Kleine Menschen, maßstabgerecht etwa in Feuerzeuggröße, bevölkern das Hausmodell.

Mit Bedauern hingegen erzählt er vom Ende einer Auftragsarbeit, „das nicht so schön ausgegangen ist“. Schütte sollte ein Café für das Dach der Mario-Merz-Foundation in einem ehemaligen Kraftwerk in Turin entwerfen und hatte sich für eine Variation des „Eispavillons“ entschieden, den er für die „documenta“ 1987 gebaut hatte („mein erstes gebautes Ding“) und der von dem 2003 gestorbenen Merz mit einer Neonschrift versehen worden war. „Aber ich habe nie wieder was von der Foundation gehört“, sagt er.

So exakt und ästhetisch wie Thomas Schütte seine „Modelle“ geplant hat und bauen ließ, ist er auch an seine Bücher herangegangen. „Ich wusste nicht, dass ich so viele gemacht habe“, kommentiert er trocken die Auswahl, die in dem kleinen Raum des Kassengebäudes ausgestellt ist. Viele von ihnen sind – ohnehin in kleiner Auflage gedruckt – gar nicht erst in den Handel gekommen oder heute Unikate. In dieser Massierung waren sie noch nie zu sehen – ebensowenig wie die „Woodcuts“ Schüttes an den Wänden der Skulpturenhalle, großformatige Holzschnitte aus dem Jahr 2011.

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