Kolumne „Gott und die Welt“ Das Wundern ist eine große Gabe

Düsseldorf · Pfingsten ist ein wunderliches Fest. Wie die versammelten Menschen die Apostel jeweils in ihrer eigenen Sprache reden hörten und alle einander verstanden. Das ist ein berührendes Sinnbild; mit unserem Verstand zu fassen ist es aber nicht. Warum es gut ist, dass sich nicht alles in unserer Welt erklären lässt.

 Fenster mit der Heilig-Geist-Darstellung im Petersdom im Vatikan. (Archiv-Foto)

Fenster mit der Heilig-Geist-Darstellung im Petersdom im Vatikan. (Archiv-Foto)

Foto: dpa/Michael Kappeler

Das sogenannte Pfingstwunder bleibt das, was es seit über 2000 Jahren schon ist: eine für uns unerklärliche Begebenheit. Nun scheint das Wundern aus der Mode gekommen zu sein. Insbesondere in Corona-Krisenzeiten, in denen uns täglich neue Studien mit allerhand Zahlenmaterial das bedrohte Leben zu entschlüsseln versuchen. Werte von Infektionsraten bestimmen darüber, mit wem wir uns treffen dürfen, wo und wie wir zu arbeiten haben, in welchen Abständen wir uns zu anderen Menschen bewegen können. Da gilt das Wundern fast ein Zeichen von Naivität zu sein, manchmal auch von Verantwortungslosigkeit. Natürlich, das Wundern ist nicht immer der beste Ratgeber. Aber gelegentlich entpuppt es sich als eine Gabe: nämlich einzusehen, dass wir nicht alles um uns herum erklären können. Dass unser Verstand auch Grenzen haben kann. Nicht in der Bekämpfung von Pandemien. Vielleicht aber doch in grundsätzlichen Fragen: Das Wunder der Natur und des Lebens etwa ist auch ein Ausdruck von Achtung. Wer unsere Existenz unter dieses Zeichen stellt, ist bereit, Fürsorge zu tragen. Wir alle wollen verstehen, begreifen, lernen. Das ist unsere Agenda spätestens seit der Aufklärung und der Garant von Fortschritt.

„Wunder gibt es immer wieder“, hat Katja Ebstein vor 50 Jahren gesungen. Das glaube ich nicht vorbehaltlos. Denn es kommt immer auf uns an, ob wir zum Wundern überhaupt bereit sind, wie es die österreichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach schrieb: „Es gibt kein Wunder für den, der sich nicht wundern kann.“

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