Kunst Abfallmännchen sind in der Altstadt gelandet

Düsseldorf · Die „Trash People“ des Performancekünstlers HA Schult gastieren auf ihrer Reise um die Welt in der Kapuzinergasse. Zudem plant er mit einem befreundeten Koch eine „Kunstsuppe Düsseldorf“, die jedem Esser auf gesunde Weise verbrauchte Energie zurückbringen soll.

 Ausstellung „Halt im Glashaus“ mit den weitgereisten und weltbekannten „Trash People“ des Künstlers HA Schult.

Ausstellung „Halt im Glashaus“ mit den weitgereisten und weltbekannten „Trash People“ des Künstlers HA Schult.

Foto: Anne Orthen (orth)

Sind Sie in den vergangenen Tagen vielleicht einmal durch die Kapuzinergasse geschlendert? Am Hanf-Shop in Nr. 20 vorbei? Der macht erst nächste Woche auf. Dann aber an der Nummer 24 überrascht stehen geblieben, dem Glashaus, wo man sonst nie etwas sieht außer Leere und Licht? Als Event-hungriger Altstadtgänger könnten Sie dort jetzt eine Überraschung erleben. Denn kurz nach seinem 81. Geburtstag hat HA Schult die schmale Immobilie jetzt mit Leben angefüllt.

Ganze einhundert „Trash People“ drängen sich auf den drei Etagen. Keiner trägt eine Maske, warum auch. Die Figuren sind aus dem Müll der modernen Wegwerfgesellschaft gefertigt. Kaffekannen, Coladosen, Kabel, Computertasten und Unmengen von Klebstoff haben sich zu drolligen Abfallmännchen vereinigt. Mitte der 1990er Jahre begann ihre Erschaffung. Als der Performancekünstler eine vierstellige Truppe zusammengeschustert hatte, zog er mit ihnen ins römische Amphitheater nach Xanten. Die Menschen kamen zu Tausenden und staunten. Seither reist HA Schult mit seiner Tinnef-Schrott-Armee um die ganze Welt.

Inzwischen ist HA Schult eine Marke für sich. Er war einer der ersten, der Ökologie und Kunst zusammendachte. Er hat den Markusplatz in Venedig mit Zeitungsabfall gefüllt und hat Opernsänger auf Müllkippen Wagner trällern lassen. Als er 1970 mit einem Citroën in 20 Tagen durch Deutschland fuhr, wurde seine Windschutzscheibe täglich ausgewechselt, wegen der toten Insekten. Heute wäre das leider nicht mehr nötig.

Ein Gespräch mit dem Künstler zu führen, ist nicht besonders schwer. Es braucht einen kleinen Impuls, dann beginnt ein Parforce-Ritt durch die Düsseldorfer Kunstszene der sechziger und siebziger Jahre, plus einer Hommage an K.O. Götz, seinen Lehrer an der Kunstakademie, gespickt natürlich mit zahllosen Anekdoten. Darunter auch diese: „1960 trug ich die Plakate der Robert-Rauschenberg / Cy Twombly-Ausstellung ins Kommödchen, Fatty’s Atelier, zum Tschikosch und so weiter. Nach der Ausstellung sammelte ich alle wieder ein. Heute kostet das Stück 750 Euro.“

Geradezu opulent wird aber der Monolog bei den sehr berühmten und eigentlich unmöglichen Plätzen auf mehreren Kontinenten, auf denen die „Trash People“ eine Zeitlang aufsehenerregende Station machen durften. Ein Foto im dritten Stock des Glashauses zeigt die Armee vor den Pyramiden von Gizeh. „Zu dem allmächtigen Verwalter des ägyptischen Kulturerbes habe ich mich mit in einer Botschaftslimousine mit Standarte chauffieren lassen. Das machte Eindruck“, freut sich HA Schult auch noch fast 20 Jahre später. Genauso wie über den Coup, seine Blechsoldaten im Land der Terrakotta-Armee aufstellen zu können, natürlich auf dem Platz des Himmlischen Friedens: „Ich habe den Chinesen klargemacht, dass meine Trash People bereits in den bedeutenden Metropolen waren, wo man die Olympischen Spiele vergibt, ergo dass mein Blech ein Glücksbringer ist.“

Die Corona-Krise hat den Künstler nur in seinem dicht gestrickten Terminkalender etwas durcheinander gebracht. Auf dem Plakat der Düsseldorfer Ausstellung, die am Freitag beginnen wird, ist noch ein früheres Datum zu lesen. Immerhin nur eine Verschiebung. Die „Trash“-Auftritte in Mailand sowie auf der ehemaligen senegalesischen Sklaveninsel Gorée mussten sogar ganz ausfallen.

Im Übrigen aber zeigt das Plakat für „Halt im Glashaus“, wo die lange Reise irgendwann enden soll: auf unserem Erdtrabanten nämlich. Das wäre dann „nur ein kleiner Sprung für HA Schult, aber ein riesiger Sprung für die Trash People.“Ein dem Künstler spontan in den Mund gelegtes Mondfahrerzitat, zur weiteren Verwendung freigegeben.

Vorher aber will HA Schult noch einiges Irdische erleben und erledigen. Zum Beispiel will er entscheiden, wo das geplante „Museum für Aktionskunst“ eingerichtet werden soll: in Köln oder in der Landeshauptstadt Düsseldorf. In Köln werden seine prominent aufgestellten Exponate schon seit längerem auf Sightseeing-Touren gezeigt. Für Düsseldorf spricht, dass ihm das angebotene Glashaus auf der Kapuzinergasse sehr gefällt.

Von dort aus könnte er auch leichter ein weiteres Projekt verfolgen: die „Kunstsuppe Düsseldorf“. Zusammen mit dem befreundeten Koch Robert Hülsmann und dem Unternehmen Josef Dauser ist eine Dosensuppe in Planung, die jedem Esser auf gesunde Weise alle vorher verbrauchte Energie zurückbringen soll.

HA Schult gibt kurz den Manager-Freund: „Die haben ständig schlimme Meetings hinter sich und lechzen nach unserer Suppe.“ Dann aber schweift der Blick weiter ins All: „Kunstsuppe aus Düsseldorf, das wird die Astronautenkost der Zukunft.“ Jetzt ist die Audienz beendet, draußen wartet ein edles SUV mit dem Kennzeichen „K-HA“. Damit geht es in den Innenhafen, natürlich zu Freund Robert.

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