„Enola Holmes“ Sherlocks kleine Schwester

In „Enola Holmes“ auf Netflix spielt Millie Bobby Brown nicht nur die Hauptrolle. Die 16-Jährige hat den rasanten Abenteuer-Film auch mit produziert. Der Teenie-Star aus „Stranger Things“ wird erwachsen.

 Millie Bobby Brown als Enola Holmes. Foto: Netflix

Millie Bobby Brown als Enola Holmes. Foto: Netflix

Foto: ALEX BAILEY/LEGENDARY ©2020

Sie ist jung, frech, furchtlos und trägt einen großen Namen: Enola Holmes. Ihr Bruder Sherlock hat das Haus längst verlassen und ist ein berühmter Meisterdetektiv geworden. Seine kleine Schwester hat er bei der Mutter (Helena Bonham Carter) zurückgelassen. In dem verwunschenen Landhaus lehrt die unkonventionelle Frau ihre Tochter alles, was sie für wichtig hält: Imkerei, Chemie, Bogenschießen, Tennis (gerne im Haus gespielt), Kampfkunst, und ab und zu lesen sie auch die Klassiker. „Du bist frei und kannst alles sein“, gibt die emanzipierte Mutter Enola mit auf den Weg, bevor sie plötzlich verschwindet.

Nun muss die 16-jährige Enola versuchen, selbst klarzukommen und gegen Widerstände ankämpfen. Dass sie dabei von Anfang an den Zuschauer direkt anspricht und ihn auf ihre Seite zieht, macht den Charme dieser Verfilmung aus und wirkt ganz selbstverständlich und authentisch.

Hauptdarstellerin Millie Bobby Brown, durch die Erfolgsserie „Stranger Things“ (seit 2016 auf Netflix) längst ein weltweiter Teenie-Superstar, ist nicht nur genauso alt wie ihre Figur, sondern auch im Leben mindestens genauso taff. Sie hat „Enola Holmes“ für Netflix mitproduziert und ist somit wahrscheinlich eine der jüngsten Filmproduzentinnen weltweit.

In der Mysterie-Serie „Stranger Things“ spielte sie Eleven, ein Mädchen mit übersinnlichen Fähigkeiten, das die Welt vor bösen Monstern rettet. Damals war sie zwölf Jahre alt und trug ihre Haare noch kurz. Nun, mit 16 Jahren, ist sie merklich erwachsener, und dank ihrer langen Haare hat sie die androgyne Ausstrahlung abgelegt. Das Image des Kinderstars scheint sie endgültig hinter sich gelassen zu haben.

Aufgewachsen ist die Britin in Orlando, Florida, wo sie schon bald Schauspiel-Workshops und Castings besuchte und von einem Talentsucher für Hollywood entdeckt wurde. Als junge Alice schaffte sie 2013, im Alter von neun Jahren, den Sprung auf die große Leinwand in „Once Upon a Time in Wonderland“. Nach kleineren Auftritten in den Serien „Modern Family“ und „Grey's Anatomy“ folgte 2016 bereits „Stranger Things“, Millie Bobby Brown wurde für ihre Darstellung der Eleven mit Preisen nominiert und über Nacht zu einem Idol der Jugendlichen.

Sie steht nun gerade an der Schwelle zum Erwachsensein, genau davon erzählt die Coming-of-Age-Geschichte „Enola Holmes“ fantasievoll und detailverliebt. Wenn man die Buchstaben von Enola umdreht, liest man „alone“ – allein. Und das ist sie auch, selbst als ihre beiden Brüder anreisen, um sich um sie zu kümmern. Sherlock, gespielt von „Superman“ Henry Cavill, sympathisiert zwar mit seiner kleinen Schwester, aber der hartherzige älteste Bruder Mycroft (Sam Claflin) bestimmt, dass sie in ein Mädchen-Erziehungsheim gesteckt wird. Dort soll sie endlich die für eine Frau dieser Zeit wichtigen Dinge des Lebens lernen: stricken, kochen, Reifröcke tragen, und sich ansonsten dezent zurückzuhalten.

Das allerdings ist nicht Enolas Ding: Lieber tritt sie in die Fußstapfen ihres Bruders Sherlock und begibt sich als Detektivin auf die Suche nach ihrer Mutter, die ihr Rätsel hinterlassen hat, wo sie zu finden ist. Mal verkleidet als Witwe, dann als Frau der Gesellschaft, dann als Zeitungsjunge fährt Enola nach London. Auf der Reise trifft sie einen jungen Lord, der wie sie gegen die Vorstellungen seiner Familie rebelliert. Zusammen bilden sie ein schlagkräftiges Team, wobei sie ihm mehrmals das Leben rettet.

Und das macht den Reiz dieses Film aus: Er nimmt bekannte Muster eines Abenteuerfilms, mischt sie mit etwas Teenie-Romanze, packt sie in eine aufwändige viktorianische Kulisse, erzählt temporeich und selbstironisch, und entwickelt am Ende doch ein kleines Lehrstück in Sachen Emanzipation und sogar Frauenwahlrecht. Denn auch die Politik wird noch eine Rolle spielen.

Den Bruch mit Konventionen versucht Regisseur Harry Bradbeer auch bildlich umzusetzen. Mit schnellen Schnitten und fast schon collagehaft bettet er immer wieder Dokumente und Zeichnungen in die Erzählung ein. Und die direkte Ansprache ans Publikum hatte er zuvor schon mit Phoebe Waller-Bridge in „Fleabag“ perfekt eingesetzt. Fast sieht man in Enola eine Art widerspenstiger Vorläuferin, die ebenso wenig gezähmt werden will wie die Single-Großstädterin Fleabag. Auch in der grotesken Serie „Killing Eve“ erzählt Bradbeer von starken Frauen.

Eine solche will auch Millie Bobby Brown sein. 2018 wurde sie als eine der jüngsten Frauen in die vom Magazin „Times“ aufgestellten Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten gelistet. Sie ist eine der jüngsten Unicef-Sonderbotschafterinnen und setzt sich für Kinderrechte ein. Mittlerweile modelt Millie Bobby Brown auch und ist mit mehr als 39 Millionen Abonnenten eine der gefragtesten Influencerinnen auf Instagram. Was sie dort so macht? Das, was andere 16-Jährige auch tun: posen, Schminktipps geben, für Sonnenbrillen werben, tanzen.

Ein bisschen darf sie vielleicht auch noch ein Teenie sein.

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