Neu im Kino Zwei Giganten im falschen Film

(RP). Nach langer Zeit sind Robert De Niro und Al Pacino wieder einmal gemeinsam in einem Film zu erleben. Leider ist Jon Avnets "Kurzer Prozess" ein zweitklassiger Selbstjustiz-Thriller, der beiden Stars wenig Gelegenheit gibt, ihr Können zu zeigen.

 Zwei Helden mit Routine: Robert De Niro (l.) als Detektiv Turk und Al Pacino als Kollege Rooster am Tatort New York.

Zwei Helden mit Routine: Robert De Niro (l.) als Detektiv Turk und Al Pacino als Kollege Rooster am Tatort New York.

Foto: Kinowelt

Da sitzen sie nebeneinander wie zwei Schuljungen, die beiden Großen aus dem Gangsterfilm-Geschäft: Robert De Niro und Al Pacino, der "Pate" und sein Sohn. In "Kurzer Prozess" spielen sie Seite an Seite, zwei New Yorker Cops, altgediente Haudegen, die viel Gewalt gesehen haben auf den Straßen ihrer Stadt und in langen Dienstjahren eines gelernt haben: Dass sie sich aufeinander verlassen können. Und dass es für diese Regel keine Ausnahme gibt.

Also sitzen sie lässig grinsend wie zwei Lausebengel vor ihrem Chef, der einen wichtigen Fall zu übergeben hat, einen Fall, der Ehre einbringen oder die Pension kosten kann: Ein Serienmörder ist in New York unterwegs. Er bringt Menschen um, von denen es am Stammtisch heißen würde, sie hätten es verdient: Kindermörder, die davon gekommen sind, Dealer (Curtis "50 Cent" Jackson), Zuhälter. Der Killer richtet diese Verbrecher und hinterlässt Gedichte, in denen er hübsch ungelenk sein Motiv zusammengereimt hat.

Der Täter ist ein Cop

Nun könnte eine konventionelle Serienmörderjagd beginnen, doch ahnt der Chef der Mordkommission nicht, dass die beiden altgedienten Cops, die er auf den Fall ansetzt, gegen sich selbst ermitteln. Beide finden nämlich, dass in den Straßen von New York böse Jungs allzu oft ungestraft davonkommen. Und in solchen Fällen richten sie eben selbst — und verhängen meist die Todesstrafe. Doch Robert De Niro und Al Pacino ermitteln nicht alleine. Ein weiteres Cop-Pärchen schnüffelt ihnen hinterher und kommt bald auf die Idee, dass die einzige Gemeinsamkeit der Hingerichteten darin besteht, dass sie Kontakt zur Polizei hatten. Folglich wohl ein Cop der dichtende Richter mit lizensierter Schusswaffe ist.

Lange ist Jon Avnets "Kurzer Prozess" also ein Selbstjustiz-Thriller mit gegeneinander ermittelnden Ermittlern. Die Dialoge hätten mehr Wortwitz vertragen können, auch werden die Nerven selbst bei Einsätzen in dunkleren Ecken der Stadt nicht strapaziert. Immerhin macht es aber Spaß, das entspannte Spiel der beiden Altmeister Robert De Niro und Al Pacino anzusehen. Sie sind in solchen Rollen schon so oft zu sehen gewesen, dass sie nicht mehr viel tun müssen, um als erfahrene Polizisten zu wirken. Aus den inzwischen faltigen Gesichtern spricht diese einnehmende Bekümmertheit über die Brutalität in der Welt. Zugleich ist da jene tapfere Entschlossenheit in ihren Mienen, die spüren lässt, dass die beiden doch noch an das Gute glauben und es verteidigen wollen auf New Yorks Straßen.

Robert De Niro und Al Pacino sind eben zwei Sympathen. Und so wird der Zuschauer wie so oft in Selbstjustiz-Filmen dazu verführt, die Mordaktionen der frustrierten Polizisten gutzuheißen. Oder zumindest Verständnis dafür zu entwickeln, dass sie aufräumen wollen im Sündenpfuhl der Großstadt. Zwar werfen späte Wendungen der Handlung am Ende noch neues Licht auf die Morde, doch irgendeine Haltung zum Thema Selbstjustiz entwickelt der Film nicht. Vielmehr wird in "Kurzer Prozess" auch mit anderen Figur- und Handlungsansätzen tatsächlich zu oft kurzer Prozess gemacht. Etwa mit den im Rassismus wurzelnden Spannungen zwischen Robert De Niro und einem der beiden Co-Ermittler, der ein Hispanic ist.

Polizisten auf der Couch

Auch die leicht sadistisch angelegte Beziehung De Niros zu einer Kollegin von der Rechtsmedizin bleibt obskures Beiwerk. Und was hätte man alles aus der psychologischen Analyse der beiden alten Polizisten machen können. Die geraten nämlich irgendwann doch unter Verdacht und müssen beim polizeilichen Seelenklempner vorsprechen. Doch außer ein paar Einstellungen auf geteilter Leinwand ergeben auch diese Szenen nichts.

Leider bietet das Drehbuch den beiden Hauptdarstellern, die jeder für sich schon so oft ihre Qualität bewiesen haben, also kein Terrain, auf dem sie sich austoben könnten. "Kurzer Prozess" ist vielmehr der Beweis dafür, dass auch zwei Veteranen an Bord aus einem Bötchen keine Yacht machen. Bleibt nur die Frage, warum die beiden Veteranen überhaupt an Bord gegangen sind. Wer den "Paten" gesehen hat, wird die Antwort wissen: Wenn es keine Sache der Ehre ist, ist es eine des Geldes.

(RP)
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