Leighs neuer Film "Happy Go Lucky" "Ich kann auch anders"

London (RP). Neben Ken Loach gehört Mike Leigh zu den bedeutenden Filmemachern Großbritanniens. Zuletzt gab es für "Vera Drake" einen Goldenen Löwen in Venedig. "Happy Go Lucky" kommt am Donnerstag in die Kinos. Sally Hawkins bekam bei der Berlinale den Silbernen Bären als beste Darstellerin.

Man könnte denken, dass Sie "Happy Go Lucky" speziell für Sally Hawkins geschrieben haben.

Mike Leigh: Stimmt und ist doch falsch.

Wie geht das zusammen?

Leigh: Na ja, jede Figur, die Sie in meinen Filmen je gesehen haben, war immer schon für die Person konzipiert, die diese verkörpert. Klingt kompliziert, ist aber so gemeint.

Und das bedeutet?

Leigh: Ich schreibe keine Drehbücher in dem Sinne, wie das viele meiner Kollegen tun. Ich erarbeite mit den Schauspielern erst die Figuren, dann ihre Geschichten.

Das kann sich hinziehen. Hawkins sagt, es seien sechs Monate gewesen.

Leigh: Ja, ein geschlagenes halbes Jahr. Monate voller Forschung, Diskussion und Improvisation mit der Darstellergruppe. Danach lege ich eine Struktur fest. Die kann wieder ganz simpel sein. Konkret wird es erst beim Drehen. Also, die Idee, Sally zur Heldin zu machen, war schon da. Ich hatte mit ihr schon in meinen letzten beiden Filmen gearbeitet. Nun war sie einfach mal dran, mit einer Hauptrolle.

Und das in einem Film, den man so nicht von Ihnen erwartet hätte.

Leigh: Tja, ich kann auch anders! Tut mir leid, wenn ich Menschen damit enttäusche. Meine Filme sind immer Mike-Leigh-Filme - stets eine Antwort auf das, was ich im Leben erfahre. Das kann komisch sein oder tragisch. In allen meinen Filmen man kann man lachen. Nicht so sehr wie hier vielleicht. Aber Humor ist und war mir immer wichtig.

Hat der Titel "Happy Go Lucky" eine tiefere Bedeutung, oder fasst er "nur" das Geschehen zusammen?

Leigh: Nein, der Titel steht wirklich für mehr. Das Publikum soll sich überlegen, wofür der Begriff Glück überhaupt steht. Wir sind heute so schnell dabei, uns zu beschweren, zu behaupten, dass früher alles besser war. Dabei sollte man mehr auf den Moment achten. So wie Poppy das tut. Sie genießt ihn. Genau das sollten wir auch öfter tun.

Auch wenn die Welt den Bach runter geht?

Leigh: Aber das wissen alle längst. Davon muss ich kein Lied mehr singen oder in keinem Film mehr erzählen. Vielleicht brauchen wir gerade heute Leute wie Poppy, die uns an die fröhlichen Seiten des Lebens erinnern. Wir sollten ihr zuhören.

Obwohl es am Anfang etwas schwierig ist, weil sie derart überdreht ist in ihrem Optimismus.

Leigh: Aber genau das meine ich ja, wenn ich immer wieder erzähle, dass meine Filme von echten Menschen halten. Diese Poppy ist viel zu echt, viel zu sehr aus dem Leben gegriffen, als dass sie wie ein Kunstobjekt wirken würde. Jeder von uns hat eine Poppy wahrscheinlich schon kennen gelernt. Wir müssen nur aufhören, ihr aus dem Weg zu gehen. Dann gibt es vielleicht auch noch ein bisschen Hoffnung für diese unsere Welt.

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