Gelungene Verwandlung Schweighöfer wird Reich-Ranicki

Köln (RP). In der kommenden Woche beginnen die Dreharbeiten zu einem Spielfilm über das Leben von Marcel Reich-Ranicki. In der Hauptrolle ist Matthias Schweighöfer zu sehen. Bei einer Präsentation des Projekts gab sich der Kritiker milde - bis auf ein paar Ratschläge.

 Wird Reich-Ranicki diesmal keine Kritik üben?

Wird Reich-Ranicki diesmal keine Kritik üben?

Foto: ddp, ddp

Es ist wie bei jeder gelungenen Verwandlung: Irgendwann beginnt sie unheimlich zu werden. Weil der Bezug zur Gegenwart löchrig wird und man auf Zeitreise geht: Ja doch, das da könnte Marcel Reich-Ranicki gewesen sein, damals, 1938 in Berlin, ein 18-jähriger Theaterliebhaber und Literaturverrückter, ein Jude, dem die Dichtkunst Trost spendet und Heimat ist. Hinter dem Bildnis aber steckt Matthias Schweighöfer, im Kino in der Rolle des Roten Barons und im Fernsehen als Schiller gefeiert; nun wird er Marcel Reich-Ranicki verkörpern.

Die Lebens- und Leidensgeschichte des deutschen "Literaturpapstes" ist vielen bekannt, seit Reich-Ranicki sie selbst in seiner Autobiographie "Mein Leben" (1999) beschrieben hat: seine Jugend in Berlin, sein Leben im Warschauer Ghetto, die Flucht mit seiner Frau Teofila, das Versteck bei einem polnischen Schriftsetzer, seine Arbeit nach dem Krieg bei der Geheimpolizei.

Genau diese Zeitspanne soll der WDR-Spielfilm einfangen - und weil die Dreharbeiten in Köln erst in der kommenden Woche beginnen, ist die Nervosität bei fast allen ziemlich groß - nur beim 88-jährigen Reich-Ranicki nicht. Sicher, auf das Ergebnis sei er gespannt, sagte er jetzt bei der Präsentation des Projekts, aber eben nur auf das Ergebnis: "Nörgeln an der Filmarbeit bringt nur Schwierigkeiten, die den Film nicht verbessern würden", spricht er munter und derart mild, dass Regisseur Dror Zahavi ein wenig ungläubig zum sonst so gestrengen Richter hinüberspinst.

Auch mit Schweighöfer sei er sehr zufrieden; warum, bleibt unklar, zumal Reich-Ranicki noch keinen Film des 27-jährigen Berliners gesehen hat. "Aber er will mir eine DVD seines Schillers-Films zuschicken", sagt er. Sodann folgt ein mehrminütiger Vortrag über Schillers Essays und Lyrik in Abgrenzung zu Goethe und Kleist, ehe Schweighöfer, seiner blonden Schillerlocken beraubt, die Zusendung ein weiteres Mal versprechen kann.

Es folgen Sushi-Häppchen, die Schweighöfer aber ignoriert, da er noch Gewicht machen muss. Fünf Kilo sollen runter für die Rolle, besonders für jene Zeit im Versteck, als Reich-Ranicki mit seiner Frau 1943/44 oft nicht mehr als eine Scheibe Brot am Tag zu essen hatte. Man sollte dann nicht so aussehen wie ein Schauspieler, der beim Catering am Set eben schnell eine Pizza bestellt, sagt Schweighöfer.

Das karge Versteck des jüdischen Paares wird in Köln nachgebaut, und weil die Filmstiftung NRW die Unternehmung mit 1,1 Millionen Euro fördert, finden sich rund 60 Drehorte allein in Nordrhein-Westfalen - unter anderem in Essen, Köln und Krefeld. Aber auch Breslau steht auf dem Drehplan.

Als die Kalb-Medaillons mit Madeirajus folgen und Schweighöfer weiterhin Verzicht übt, wird Reich-Ranicki immer munterer. Nicht, dass er Einfluss nehmen wolle, das keineswegs, aber je mehr Zeitgeschichte im Film, desto besser. Ja nicht zu viel von Literatur erzählen, rät er, wobei der Zeigefinger aber noch unten bleibt. "Wissen Sie", sagt er dem Regisseur, "Literaturverfilmungen schön und gut, aber die Hälfte des Publikums versteht sie nicht." Und als Zahavi schnell erklärt, er sei bestimmt kein elitärer Filmemacher, beruhigt ihn der Kritiker. Na sicher, Zahavi werde das schon machen, da sei er sich ganz sicher. "Aber es schadet nicht, wenn ich sie trotzdem warne." Schließlich wolle er keine solide Verfilmung seines Buchs, sondern einen guten Spielfilm.

Man ahnt, dass jetzt nur ein Wort genügt, und der Kritiker säße am Set in der ersten Reihe. Aber Zahavi muss jetzt leider weg, sein Flugzeug wartet. Wobei er in der Maschine noch an die Worte Marcel Reich-Ranickis denken dürfte: "...und dass Sie mir keinen Film am Publikum vorbeidrehen!"

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