„Downton Abbey II“ Familienausflug nach Frankreich

Die neue Zeit erschüttert die englische Adelsfamilie Crawley: Man verlässt doch tatsächlich die Heimat und begibt sich an die Côte d'Azur. Der zweite Kinofilm mit dem Personal der beliebten TV-Serie ist weit besser als sein Vorgänger.

 Britisch-französischer Adelsaustausch: Szene aus „Downton Abbey II“.

Britisch-französischer Adelsaustausch: Szene aus „Downton Abbey II“.

Foto: dpa/Ben Blackall

Eigentlich sollte der Kinofilm 2019 nur ein großformatiges Abschiedsgeschenk für die Fangemeinde sein, nachdem sie der TV-Serie „Downton Abbey“ über 56 Folgen hinweg die Treue gehalten hatte. Aber ein weltweites Einspielergebnis von fast 238 Millionen Dollar zeigte, dass das wendungsreiche Schicksal der englischen Adelsfamilie Crawley und ihrer umfangreichen Schar an Bediensteten auch auf der großen Leinwand sein Publikum fand.

Die britische Sky-Produktion, die in Deutschland 2011 bis 2016 über sechs Staffeln ausgestrahlt wurde, gehörte zu den Perlen der internationalen Serienlandschaft. Eine ausgeklügelte Plotkonstruktion, die facettenreiche Entwicklung des umfangreichen Figurenarsenals, verschwenderische Ausstattung und ein historischer Bogen, der von der technischen Revolution über den Ersten Weltkrieg bis zum Frauenwahlrecht die gesellschaftlichen Veränderungen des frühen 20. Jahrhunderts erfasste, bestimmten die Qualität. Dagegen wirkte der Kinofilm, in dem vor dem Hintergrund der königlichen Visite in Downton Abbey moderate Konflikte innerhalb eines zweistündigen Zeitfensters versöhnlich gelöst wurden, schon fast ein wenig behäbig.

In der Fortsetzung der Familiensaga, die verheißungsvoll mit „Eine neue Ära“ betitelt ist, nimmt das Unternehmen unter der Regie von Simon Curtis („Frau in Gold“) jedoch wieder Fahrt auf. Die neue Zeit bricht über die Crawfords in Form eines Filmproduktion herein, die das adlige Anwesen als pittoreske Kulisse nutzen will. Das hochherrschaftliche Wohnzimmer soll zu einem Spielsalon umgebaut werden – der Earl of Grantham Robert Crawley (Hugh Bonneville) legt die Stirn in Falten. Aber als Tochter und Geschäftsführerin Mary (Michelle Dockery) ihn auf den Dachboden führt, wo der Regen von den Ziegeln tropft, sieht auch er, dass Downton den großzügigen Scheck der Filmfirma gut gebrauchen kann.

Da trifft es sich gut, dass es im fernen Frankreich eine Erbschaftsangelegenheit zu regeln gibt. Die hochbetagte Lady Violet (Maggie Smith) hat eine Villa an der Côte d‘Azur von einem Verehrer aus jungen Jahren vermacht bekommen. Und so geschieht das Unvorstellbare: Der Earl, Gattin Cora (Elizabeth McGovern), Tochter Edith (Laura Carmichael) und Butler Carson (Jim Carter) verlassen den Campus, um ins ferne Frankreich zu reisen, während sich auf Downton unter Marys Bewachung die illustre Lichspiel-Schar breit macht. Aber das Stummfilm-Projekt gerät schon bald in die Krise, weil die ersten Tonfilme gerade die Kinos erobern und die Stimme der strahlenden Diva Myrna Dalgleish (Laura Haddock) für das audiovisuelle Medium wenig geeignet erscheint. Da muss der Regisseur (Hugh Dancy) auf die vokalen Fähigkeiten Lady Marys zurückgreifen, und am Ende sitzt sogar die ganze Dienerschaft als Ersatzstatisten an der Tafel im großen Salon.

Derweil geht es an der strahlenden Côte d‘Azur weniger lustig zu. Die Witwe des Verstorbenen (Nathalie Baye) ist „not amused“ über das Testament ihres Mannes, der sein unbescheidenes Anwesen seiner Traumfrau aus jungen Jahren vermacht hat. Wie sich bald herausstellt, liegt der nachhaltige Frankreichbesuch Lady Violets gerade einmal neun Monate vor der Geburt von Sohnemann Robert, der sich auf seine alten Tage Sorgen um seine biologische Herkunftsgeschichte machen muss.

Mit bewährter Kunstfertigkeit bringt Drehbuchautor Julian Fellowes, der für alle „Downton“-Skripts verantwortlich zeichnet, leichte Erschütterungen in die Welt der Adelsfamilie, die erneut ihre Traditionen, Werte und sogar den eigenen Stammbaum hinterfragen muss. Das ist vor allem, aber nicht nur für langjährige Downton-Fans ungeheuer unterhaltsam, weil hier wie schon in der ganzen Serie die Erlebniswelten der Figuren erneut erweitert werden. Das gilt vor allem für Downtons Dienstleisterinnen, die mit dem Einzug des Filmteams die frische Luft im Arbeitsalltag sichtbar genießen.

Am Ende darf der schwule Butler Thomas (Robert James-Collier) sogar mit dem charmanten Filmstar Guy Dexter (Dominic West) durchbrennen. Für die größte Herzerweichung sorgt jedoch die wunderbare Maggie Smith, die mit der situiert sarkastischen Lady Violet die Rolle ihres späten Lebens gefunden hat und mit diesem Kinofilm Downton endgültig hinter sich lässt. „Weine nicht so laut“, sagt ihre Countess of Grantham am Schluss. „Ich kann mich ja nicht sterben hören“.

Downton Abbey II: Eine neue Ära, Großbritannien 2022 – Regie: Simon Curtis; mit Hugh Bonneville, Elizabeth McGovern, Michelle Dockery, Penelope Wilton, Jim Carter, Lesley Nicol, Maggie Smith, Imelda Staunton, Tuppence Middleton, Allen Leech; 125 Minuten

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