„Wolke unterm Dach“ Zwei gegen die Trauer

„Wolke unterm Dach“ hätte ein feinfühliges Porträt einer Vater-Tochter-Beziehung werden können. Stattdessen lässt Regisseur Alain Gsponer auf die Tränendrüse drücken.

 Frederick Lau in !Wolke unterm Dach“.

Frederick Lau in !Wolke unterm Dach“.

Foto: Warner

Wenn sich das Liebes- und Familienglück innerhalb der ersten Filmminuten derart rasant und ungetrübt konstituiert, lässt das Schicksal nicht lange auf sich warten. Über den Wolken Kolumbiens lernen sich die unerschrockene Stewardess Julia (Hannah Herzsprung) und der von Flugangst geplagte Krankenpfleger Paul (Frederick Lau) kennen, heiraten höchst romantisch auf einem Berggipfel, beziehen ein verwunschenes Haus am Rande Münchens und bekommen schon bald ein reizendes Töchterchen.

Sieben Jahre später wird die Idylle jedoch durch Julias plötzlichen Tod tief erschüttert. Paul scheint an seinen Verlust- und Trauergefühlen zu ersticken und muss gleichzeitig für Tochter Lilly (Romy Schroeder) sorgen. Nach einer kurzen Phase des Innehaltens versucht der Vater für sich und das Kind wieder eine stabilisierende Normalität herzustellen. Er bringt Lilly in die Schule und kehrt zu seiner Arbeitsstelle als Pflegedienstleiter im Krankenhaus zurück. Aber so einfach lässt sich die Trauer nicht wegdrücken.

Lilly zieht sich immer wieder auf den Dachboden zurück, wo ihr der Geist der Mutter in Begleitung einer kleinen Wolke erscheint. Paul macht auf der Arbeit gefährliche Flüchtigkeitsfehler und steht zusätzlich unter finanziellem Druck, weil er mit nur einem Gehalt die Raten fürs Haus nicht abbezahlen kann. Der Witwer versucht es mit einer Auszeit, nimmt ein paar Tage Urlaub, bringt die Tochter zur Oma (Barbara Auer) und tut das, was verzweifelte Männer laut Klischee-Katalog eben so tun: sich voll laufen lassen und die Wohnzimmereinrichtung demolieren. Und dann ist da noch das Foto des attraktiven Fluglehrers, das Paul in Julias Tasche gefunden hat und nun die große Liebe zu relativieren droht.

Mit „Wolke unterm Dach“ verfilmt der Schweizer Regisseur Alain Gsponer („Heidi“, „Jugend ohne Gott“) die Romanvorlage von Chris Silber, der darin eigene Erfahrungen nach dem Tod seiner Frau aufgearbeitet hat. Der Authentizitätsvorsprung schützt den Film jedoch nicht vor melodramatischer Überdosierung, emotionaler Unglaubwürdigkeit und aufdringlichen Stereotypisierungen. Gsporner lässt keine Gelegenheit aus, die Verlust- und Trauergefühle mit dramatischen Zuspitzungen und omnipräsenter Musikuntermalung zu vergrößern. Da hilft es wenig, dass mit Frederick Lau ein Schauspieler im Zentrum steht, der zu Overacting neigt und die Verzweiflung seiner Figur mit Dauerdackelfalten auf der Stirn zum Ausdruck bringt. Vollkommen unsubtil wird hier immer wieder gnadenlos auf die Tränendrüse gedrückt, ohne dass der Film bei all den behaupteten großen Emotionen seinen Figuren wirklich näherkommt. Dabei bedient die Aneinanderreihung von Pauls väterlichen Fehlverhaltensweisen müde Männerklischees, die angesichts der elterlichen Verantwortungssituation nach dem Tod der Mutter äußerst unglaubwürdig wirken.

Die erzählenswerte Geschichte von Vater und Tochter um Verlust, Trauer und Überforderung hätte mehr Sensibilität und psychologische Tiefe verdient. Aber Gsponer ist zu sehr in den Ansprüchen eines seichten Feel-Good-Bad-Movies gefangen, das jenseits der oberflächlichen Mitleidsreflexe nicht wirklich berührt.

Wolke unterm Dach, Deutschland 2022, Regie: Alain Gsponer, mit Frederick Lau, Romy Schroeder, Hannah Herzsprung. 112 Minuten

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