Drama mit Paula Beer auf der Berlinale Petzolds „Undine“ ist ein Märchen für die Gegenwart

Berlin · Der Kinofilm „Undine“ ist der erste deutsche Beitrag im Wettbewerb der Berlinale. Die Produktion kommt am 26. März ins Kino. Paula Beer (“Bad Banks“) spielt die Hauptrolle.

 Paula Beer (r.) als Undine in Christian Petzolds Wettbewerbsbeitrag.

Paula Beer (r.) als Undine in Christian Petzolds Wettbewerbsbeitrag.

Foto: dpa/Christian Schulz

Als Undine in einem Café dem Mann begegnet, der ihre Seele retten wird, zerplatzt das Aquarium über der Theke. Die beiden werden umgeworfen von der Wucht des Wassers, liegen da, triefend, Aug in Aug. Um sie her zucken Fischlein auf dem Teppich, und in Undines Brust stecken Splitter, die Christoph sacht, sehr sacht entfernt. Er ist so: behutsam, fürsorglich, zugewandt – ein Mann wie im Märchen.

Zum fünften Mal ist Christian Petzold im Wettbewerb der Berlinale vertreten, als erster Deutscher stellte er am Wochenende sein neues Werk vor, einen surrealen Liebesfilm, der die französische Sage von der Wasser-Frau, die ihre untreuen Geliebten ins Meer zieht, in die Gegenwart blendet. Das Märchenhafte hat bei Petzold nichts heiter Verspieltes, nichts von der Karussellseligkeit einer wunderbaren Amélie. In Petzolds Geschichte geschehen unwahrscheinliche Dinge, Aquarien bersten, Spielzeugtaucher wirken als Voodoo-Puppen, Gehirntote schrecken aus dem Koma hoch, als hätten sie geschlafen. Doch märchenhaft ist sein Film vor allem, weil es darin um die Unbedingtheit der Liebe geht. Um aus der Zeit gefallene Vorstellungen von Ehrlichkeit, Absolutheit, Treue. Als Undine gleich zu Beginn von ihrem Freund Johannes verlassen wird, bleibt sie nicht souverän, spricht keine Ratgeber-Floskeln. Sie stellt ihm eine Frist. „Und dann kommst du wieder und sagst, dass du mich weiter liebst, sonst muss ich dich töten.“ Die Sage will es so.

Wie in Petzolds früheren Arbeiten, mit denen er in den 1990er Jahren die Ästhetik der Berliner Schule mitbegründete, kommen auch die Figuren in „Undine“ aus dem Alltag, ohne Vorgeschichte, ohne Beiwerk, pure, für sich stehende Charaktere. Sie leben an unauffälligen Orten, diesmal in Berlin-Mitte und im Sauerland. Undine arbeitet als Kunsthistorikerin und Stadtführerin für die Berliner Senatsstelle für Stadtentwicklung, Christoph repariert als Industrietaucher Unterwasserturbinen. Prosaisches Dasein. Doch gerade diesen Figuren lässt Petzold nun Surreales widerfahren, dichtet ihnen Sagenhaftes an, rettet sie vor der Belanglosigkeit und Uniformität des modernen Lebens.

Zum zweiten Mal nach „Transit“ spielen Paula Beer und Franz Rogowski die Hauptrollen. Und weil Christian Petzold seine Drehbücher immer erst schreibt, wenn er über die Besetzung entschieden hat, sind die Rollen für sie gemacht. Paula Beer ist das unheilvolle Mädchen aus dem Wasser, das unbeschwert verliebt sein kann, aber die Macht besitzt, Männer zu verschlingen. Im Märchen hat sie keine Option, ist zur Rache verdammt. Petzold schreibt ihr neue Freiheiten zu, seine „Undine“ darf sich entscheiden, wann es mächtiger ist, seine Macht nicht zu nutzen. Rogowski ist einmal mehr der arglos liebende, bestürzend zutrauliche Typ, der doch auch Untiefen besitzt. Ein echter Romantiker also.

Schon in „Transit“ verlegte Petzold Anna Seghers’ Stoff aus der Nazi-Zeit in das Marseille der Gegenwart und ließ Figuren aus beiden Zeiten durch dieselbe Geschichte laufen. Das gab dem Film etwas Universelles, das von Flüchtlingen aller Zeiten erzählt. Auch in „Undine“ ergibt die Überlagerung unterschiedlicher Wirklichkeiten schillernde Momente, etwas Zauberisches, ohne allen Kitsch

 Allerdings wirkt das Naive der Märchenhandlung, in die Gegenwart transponiert, diesmal bisweilen banal. In früheren Filmen schuf Petzold kühle, wortkarge, zutiefst tragische Figuren, die dem Leben verzweifelt ein wenig Glück abringen wollen. Sie scheitern an den Verhältnissen, an einem System, das nur die belohnt, die funktionieren. Natürlich war das hochpolitisch.

Diese Brüchigkeit, diese Kargheit, die alle Unschuld absorbiert zu haben scheint, gibt es bei „Undine“ nicht. Paula Beer darf als Stadtführerin zwar kritische Dinge sagen, etwa über die Tradition der Bodenspekulation in Berlin, die schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten Wohnen in der Stadt zum Luxus machte. Doch das bleibt Exkurs. Trotz oder sogar wegen aller Märchenraffinesse bleibt die Wirkung von „Undine“ blass. Ein Aquarell.

Im Wettbewerb war der erste deutsche Beitrag mit Spannung erwartet worden, auch weil sich bisher noch kein anderer Bären-Favorit aufdrängt. Aber vergeben werden die Bären erst am Samstag.

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