Berlinale 2020 Lars Eidinger weint über Hass in der Gesellschaft

Bei einer Pressekonferenz während der diesjährigen Berlinale nannte der Schauspieler die Gesellschaft missgünstig und vergiftet. Dabei traten ihm Tränen in die Augen.

 Lars Eidinger rollen bei der Pressekonferenz Tränen über die Wange.

Lars Eidinger rollen bei der Pressekonferenz Tränen über die Wange.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Lars Eidinger hat Gefühle gezeigt und zeigt sich bestürzt darüber, wie tief der Hass in die deutsche Gesellschaft eingesickert ist. Bei einer Pressekonferenz während der Berlinale zum Nazi-Drama „Persian Lessons“ sagte er: „Ich finde, unsere Gesellschaft ist so dermaßen vergiftet, was Hass und Missgunst angeht.“ Das sei umso tragischer, wenn man selbst versuche, Liebe in die Welt zu tragen und dafür nur Hass als Antwort bekomme. Dafür gab es Applaus von den versammelten internationalen Journalisten. Eidinger, der in zwei Filmen jeweils mit einer Hauptrolle bei der Berlinale vertreten ist, war gefragt worden, was ihn antreibe, so viel zu arbeiten. Es gehe ihm in seiner kreativen Arbeit darum, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, sagte er, das empfinde er nur gerade als sehr schwierig, „weil ich das Gefühl habe, dass die Gesellschaft sehr vergiftet ist.“ Der Schauspieler rang bei seinem Statement nach Worten, und es traten ihm Tränen in die Augen.

Eidinger (44) ist einer der besten Schauspieler der Republik, auf der Bühne wie vor der Kamera. Und er ist in sozialen Netzwerken aktiv, postet Fotos von seiner Arbeit als Schauspieler, DJ, Designer. Zuletzt hatte er zusammen mit dem Designer Philipp Bree eine Ledertasche entworfen, die an das Aussehen von Aldi-Plastiktüten erinnert und 550 Euro kostet. Eidinger hatte mit dieser Tasche unter anderem vor einem Obdachlosen-Nachtlager posiert. Deswegen war er harscher Kritik im Internet ausgesetzt.

Auch nach seinen emotionalen Äußerungen bei der Berlinale argwöhnten Menschen im Netz, das Statement sei Teil seiner Selbstinszenierung.

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Vielleicht muss man aber wissen, dass bei der Pressekonferenz zuvor schon über Hass und Unmenschlichkeit gesprochen worden war. Denn Eidinger spielt in „Persian Lessons“ einen SS-Mann, der in einem KZ einen höheren Posten besetzt. Die Figur ist durchdrungen von Rassenwahn, neigt zu gefürchteten Wutausbrüchen und ist so zynisch wie alle Mächtigen an diesem Höllenort. Doch der Nazi träumt sich in ein anderes Leben, nach Persien, möchte dort ein deutsches Restaurant eröffnen und nutzt die vermeintlichen Sprachkenntnisse eines Gefangenen, um Farsi zu lernen. Ein schreckliches, absurdes Spiel beginnt, denn der Gefangene ist kein Perser und erfindet im laufenden Privatunterricht eine Kunstsprache, um sein Leben zu retten.

Bei der Pressekonferenz hatte Eidinger darüber gesprochen, wie viel Menschlichkeit er selbst der Nazi-Figur im Film zutraut. Und er hatte über die Macht der Sprache geredet, einen Raum zu schaffen, in dem sogar ein Nazi-Scherge weich werden darf. Am Ende dieses Gesprächs ließ sich Eidinger dann von seiner eigenen Rede überwältigen und weinte über den Hass im Land.

Von Hanau konkret war nicht die Rede. Auch nicht von den Opfern. Sie fehlen in vielen Diskursen in den Tagen nach Hanau. Bewegt hat Eidinger die gewachsene Hassbereitschaft im Land, die er selbst schon zu spüren bekommen hat.

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