Gemeinsam Bücher entdecken Der Sommerleseclub – ein Beitrag zur besseren Lesekultur?

Düsseldorf · Das Entdecken von Neuerscheinungen und das Lösen kreativer Aufgaben steht beim Sommerleseclub im Zentrum. Für begeisterte Leser ist das vom Land NRW geförderte Projekt ein echtes Highlight. Doch spricht das Programm auch Menschen an, die sonst kein Buch in die Hand nehmen?

 Gemeinsames Lesen steht beim Sommerleseclub im Vordergrund.

Gemeinsames Lesen steht beim Sommerleseclub im Vordergrund.

Foto: dpa/Hans-Thomas Frisch

Am Montag startete wieder der vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalens geförderte Sommerleseclub als eines der größten Leseförderprojekte in NRW. Fast 150 Städte beteiligen sich daran. Doch nimmt ein Großteil der Jugend dieses Projekt überhaupt wahr? Sind die Mittel dafür richtig eingesetzt oder gar vergeudet? Viele Jugendliche nehmen gar kein Buch mehr in die Hand, und noch weniger kommen auf den Gedanken, in eine Bücherei zu gehen. Stattdessen greifen viele lieber zum E-Book-Reader oder verbringen ihre Freizeit auf Social-Media-Kanälen. Laut einer Umfrage der Onlineplattform Statista lasen im Jahr 2020 immerhin rund 55 Prozent der 16 bis 29-Jährigen in Deutschland E-Books.

Der Sommerleseclub will mehr Menschen für das klassische Buch begeistern und kreatives Lesen auch außerhalb der Schule fördern. Jeder kann am Projekt teilnehmen, um die neu erschienenen Bücher und Hörbücher zu lesen. Das Alter der Teilnehmer reicht von Kleinkindern bis zu Erwachsenen. Lesen wird zu einem Ereignis, wobei man während der Sommerferien in Geschichten versinken und auch Preise gewinnen kann.

 In einem analogen oder digitalen Logbuch können die Leser kreativ werden und ihre Stempel sammeln.

In einem analogen oder digitalen Logbuch können die Leser kreativ werden und ihre Stempel sammeln.

Foto: Emily Senf

Während der Corona-Pandemie erfolgte ein Wandel der Organisation. An die Stelle des kleinen Logbuchhefts trat das digitale Logbuch. Darin können Teilnehmer zusätzlich kreative Aufgaben lösen. Das grundsätzliche Ziel ist es jedoch möglichst viele Neuerscheinungen zu lesen, um pro Buch einen Stempel zu sammeln. Einen Stempel erhalten die Teilnehmer, nachdem sie die Handlung einem der Büchereimitarbeiter nacherzählt oder im Online-Logbuch eine Bewertung verfasst haben. Ab einer Anzahl von drei Stempeln erhalten die Leser am Ende eine Urkunde. Nebenbei wird Material bereitgestellt, mit dem die Teilnehmer beim Gestalten des Logbuches, aber auch beim Basteln für private Sommerpartys viel Spaß haben können.

Die Ziele des Sommerleseclubs sind ehrgeizig. Doch führt er auch zu einem Anstieg der Leseinteressenten?

Tatsache ist: Das Interesse an Büchern nimmt stetig ab. Eine JIM-Studie, die als Jugend-Information-Medien-Langzeitprojekt die Mediennutzung der Jugendlichen untersucht, ergab im November 2021, dass nur noch jeder dritte Jugendliche regelmäßig ein Buch in gedruckter Form in die Hand nimmt. Deshalb vertritt Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, Jörg Maas, den Standpunkt, dass die Leseförderung in Deutschland schulformunabhängig weiter ausgebaut werden muss. Dafür muss die Politik entschiedener handeln.

Social-Media-Accounts und andere digitale Aktivitäten wecken eher das Interesse und die Begeisterung der Jugend. Eine ARD/ZDF-Onlinestudie aus dem Jahr 2021 ergab, dass 73 Prozent der Befragten im Alter von 14 bis 29 Jahren Nutzer des sozialen Netzwerkes Instagram sind. Über Social Media sind Jugendliche zurzeit in eine Vielzahl von Richtungen verzweigt. Sie haben Freunde und Follower, in denen sie Gleichaltrige mit ähnlichen Interessen finden. Soziale Netzwerke könnte man mit so traditionellen Dingen wie einem Leseclub verbinden. Etwa um über ein solches Projekt neue Freundschaften zu knüpfen. Denn bei einer Teilnahme am Sommerleseclub hat man die Wahl, ob man alleine oder in einem Team antritt.

Auf Social-Media-Plattformen kann man stundenlang online sein, lesen und selbst schreiben. Die Jugendlichen bevorzugen sogar die schriftliche Kommunikation. Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen Büchern und solchen Texten: Wer Bücher liest, lernt nebenbei mehr über die Sprachrichtigkeit und erweitert die Fähigkeit, das Gelesene zu verstehen. Obwohl es korrekt formulierte Blogs und Online-Beiträge gibt, legen viele Social-Media-Nutzer auf eine korrekte Rechtschreibung wenig Wert.

Wie fördert also eine Sommerveranstaltung wie der Sommerleseclub die Lesekultur? Anne Richter, Koordinatorin des „Leseclubs am Berg“ (Stiftung Lesen), betrachtet Leseclubs als Zugang zu einer Welt, die den Kindern sonst verschlossen bliebe. Laut der Expertin beschäftigen sich die teilnehmenden Kinder „lustvoll, kreativ und ausdauernd mit Büchern, steigern ihre Lesemotivation und erwerben bildungssprachliche Kompetenzen“. Die Auswirkungen sind jedoch begrenzt, weil viele Zielgruppen durch herkömmliche Bücher kaum angesprochen werden. Aber das Interesse ist trotzdem vorhanden. Im Sommer 2021 waren es landesweit immerhin 22.364 Teilnehmer. Die Mittel sind bei einer solchen Teilnehmerzahl nicht vergeudet. Das Projekt wird wahrgenommen, findet breites Interesse und hat eine vielversprechende Wirkung auf die Leserinnen und Leser.

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