Das neue Buch vom TV-Wettermann Warum für Sven Plöger die Alpen das Größte sind

Spannender als in den Alpen ist das Klima nirgendwo in Europa, meint Sven Plöger. Wer das neue Buch des Meteorologen und Wettermoderators liest, glaubt ihm jedes Wort. Ein fesselndes Werk über das Spiel von Wind und Wetter und was wir daraus lernen können.

 Moderator Sven Plöger war schon für unzählige Dokumentationen in den Alpen unterwegs.  Foto: obs/3sat/ZDF/SWR

Moderator Sven Plöger war schon für unzählige Dokumentationen in den Alpen unterwegs. Foto: obs/3sat/ZDF/SWR

Foto: ZDF/SWR

Raten Sie mal, was Sven Plöger als Kind – oder besser gesagt: als Knirps von drei Jahren – gerne werden wollte? Sie kommen eh nicht drauf: ein Vogel!

Die erste Seite seines neuen Buches ist noch nicht komplett gelesen, da muss man schon das erste Mal schmunzeln. Und im Prinzip geht es so weiter bis zum Ende. Plöger schreibt, wie man ihn aus dem Wetterbericht im Fernsehen kennt: in der Sache ernst und hochkompetent, dabei im Wesen locker und unterhaltsam. Der Mann hat nicht umsonst Lachfalten im Gesicht. Und ganz offensichtlich wusste er schon sehr früh, wohin es gehen sollte in seinem Leben. Hoch hinaus, den Blick auf die Wolken am Himmel, die Nase im Wind.

„Die Alpen und wie sie unser Wetter beeinflussen“ ist bereits das dritte Buch, das der Diplom-Meteorologe und TV-Wettermann Sven Plöger gemeinsam mit dem TV- und Wissenschaftsjournalisten Rolf Schlenker geschrieben hat. Sie erklären, warum die Alpen eine der spannendsten Klimazonen in Europa sind. Immerhin treffen hier auf engstem Raum völlig verschiedene Vegetationszonen aufeinander.

Welche Folgen hat das für unsere Lebenswelt? Und was wäre, wenn dieses Bollwerk aus Stein nicht dort stünde? Wenn der kühle Norden nicht durch eine 200.000 Quadratkilometer große Barriere vom milden Süden getrennt wäre.

Dann sähe Europa definitiv völlig anders aus. Denn dann könnten kalte Winde ungebremst aus dem Norden in den Süden ziehen und Schneemassen und Winterchaos in sonst schneefreien Regionen verursachen. Beispiel New York: die Metropole ist nicht durch einen solchen Riegel aus Fels geschützt – alle paar Jahre versinkt die Stadt förmlich im Schnee. Umgekehrt würden feuchtwarme Luftmassen aus dem Mittelmeerraum dann weit hinauf in den Norden gelangen. Und was passiert, wenn kalte und warme Luftmassen ungebremst aufeinanderprallen, kennen wir ebenfalls unter anderem aus den USA: Bis zu 1800 Tornados wüten dort alljährlich, so Plöger.

Dieses Buch ist voller praktischer Beispiele und lebensnaher Erzählungen. Katastrophen in den Alpen, das Aussterben der Bergdörfer, der Wandel der Artenvielfalt, Lawinen als der weiße Tod, Wetterphänomene und und und – Plöger hat zu jedem Aspekt die passende Geschichte. Er und Mitautor Rolf Schlenker haben gemeinsam schon zahlreiche Dokumentationen über Wind und Wetter an vielen Orten auf der Welt gedreht.

Deshalb legt man dieses Buch so ungern aus der Hand: Die Autoren bringen ihr Fachwissen mit historischen Anekdoten, persönlichen Erlebnissen und spannenden Begegnungen so unterhaltsam auf den Punkt, dass auch der Laie immer weiterlesen möchte. Manchmal fragt man sich als Leser: „Wo war dieser Mann eigentlich noch nicht?“. Für alle, die das eine oder andere etwas genauer wissen wollen, gibt es immer wieder lesenswerte Infokästchen zu Themen wie Windsysteme, Lichterscheinungen oder Klimawechsel. Ein Zusatz-Angebot für besonders Interessierte, kein Muss.

Natürlich darf in einem Buch über die Alpen auch Ötzi nicht fehlen. Vor über 30 Jahren wurde die Gletschermumie aus dem Eis des Tisenjochs geborgen. Ötzi ist heute in mehrfacher Sicht ein Beispiel für den Klimawandel. Sein Fundort in den Südtiroler Alpen ist heute weitestgehend schneefrei. Und das Südtiroler Archäologiemuseum, in dem Ötzi in einer Kühlkammer liegt, hat Probleme mit der Konservierung, weil ihn jährlich Millionen Besucher durch Panzerglas bestaunen.

Plöger erklärt und beschreibt die aktuelle Lage anschaulich und schonungslos – aber ohne düsteres Lamentieren und erhobenen Zeigefinger. Und er gibt seinen Lesern auch keine Vorschriften und Benimmregeln mit auf den Weg. Vielmehr Denkanstöße. Der Berg an Herausforderungen mag unüberwindlich groß erscheinen, so Plöger (“eine Herkulesaufgabe“). Seiner Ansicht nach brauchen wir deshalb nun vor allem Optimismus und Mut, die Dinge anzugehen. Kleinreden, Schönreden, Wegdiskutieren – dies alles rettet die Alpen und unser Klima nicht.

Und für alle, die mit dem häufig gehörten Argument kommen, angesichts der gewaltigen Probleme könne der Einzelne eh kaum etwas tun, hält Plöger diesen Gedanken bereit: Was wäre, wenn jeder junge Mensch die Zeit bekäme, „an die Hand genommen und sensibilisiert zu werden für die Vorgänge in der Natur“? Etwa im Rahmen eines sozialen Jahres? Zeit, um Zusammenhänge zu verstehen, statt das ewige Schneller, Weiter, Höher in der Gesellschaft? Ein solches „Fundament an Erfahrung“ könne möglicherweise die Bereitschaft einer Gesellschaft erhöhen, „Dinge zu verändern, die man bisher halt schon immer so gemacht hat“, meint Plöger.

Die Alpen selbst schenken uns Ruhe und Zeit jenseits des hektischen Alltags. Wer jemals in den Bergen unterwegs war, hat ihre Faszination vielleicht am eigenen Leib gespürt. Wer noch nie auf einem Gipfel war, hat etwas verpasst.

So oder so: Dieses Buch ist lesenswert. Auch wenn man als Kind vielleicht nicht unbedingt ein Vogel werden wollte.

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