Digitale Lehre Auf virtuelle Exkursion in die Museen der Welt

Konzipiert in der Pandemie, profitieren Studierende nun von digitalen Kursen, die es so vorher noch nicht gab. An der Ruhr-Universität Bochum beispielsweise geht es für angehende Biologielehrer nach New York – auf virtuelle Exkursion ins American Museum of Natural History.

 Biologie-Studentin Sarah Bosch freut sich über die Möglichkeit, dank der virtuellen Exkursion von Dozentin Nina Minkley von der Ruhr Uni Bochum ins Museum of  National History nach New York reisen zu können.  Foto: RUB, Marquard

Biologie-Studentin Sarah Bosch freut sich über die Möglichkeit, dank der virtuellen Exkursion von Dozentin Nina Minkley von der Ruhr Uni Bochum ins Museum of National History nach New York reisen zu können. Foto: RUB, Marquard

Foto: Marquard, RUB

Ins Naturkundemuseum, in den Zoo, an einen See – typische Orte für eine biologische Exkursion. Aber nach New York ins American Museum of Natural History? Nahezu undenkbar, sowohl für Studierende wie auch für Schüler. So war es jedenfalls vor der Pandemie. Doch die langen Lockdowns, die fast zwei Jahre digitales Lernen mit sich brachten, haben auch die universitäre Lehre verändert: „Während der Pandemie konnten wir überhaupt keine Exkursionen anbieten, noch nicht einmal in unseren Botanischen Garten“, sagt Nina Minkley, Akademische Rätin an der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum. Sie ist als Expertin für die Didaktik der Biologie zuständig für die Ausbildung angehender Biologielehrerinnen und -lehrer. „Deshalb habe ich mich auf die Suche nach einer Alternative gemacht. Und als die Idee zu einer virtuellen Exkursion erst einmal da war, war auch klar, dass es nun keine Grenzen gibt, und dass man das Ganze ruhig groß denken und einen Ort wählen kann, den wir physisch nicht ansteuern würden: Das American Museum of Natural History in New York kannte ich bereits und wusste um die dortigen spektakulären Ausstellungen. Und tatsächlich hat das Museum einige Online-Tools angeboten, die ich – mit weiteren digitalen Materialien – zu einer virtuellen Exkursion zusammenstellen konnte.“

Diese beschäftigt sich mit der Evolution des Menschen. Mit Hilfe von 360-Grad-Ansichten bewegen sich die Studierenden durch das Museum und lernen, wie die Vorfahren des Menschen aussahen und lebten. Das Besondere: Den Abstecher in den Big Apple erleben die angehenden Bio-Lehrer nicht nur aus Studierenden-Perspektive, sondern auch aus Schüler- und Lehrer-Sicht. So bekommen sie einen Einblick, wie diese digitale Welt als Lernort genutzt werden kann. „Die Teilnehmenden können mit verschiedenen Online-Tools DNA-Sequenzen vergleichen oder Skelette und Schädel der menschlichen Vorfahren untersuchen und erhalten so neue Ideen für ihren späteren Unterricht“, sagt Nina Minkley. „Die Humanevolution ist Teil des Lehrplans an Gymnasien und Gesamtschulen, aber es gibt in diesem Themenfeld wenig, was die Schüler selbst ausprobieren können. Da ist beispielsweise das Tool zur DNA-Analyse eine schöne Ergänzung.“

Insgesamt biete die Exkursion viele praxisnahe Tipps zu Gestaltungsmöglichkeiten und zur Durchführung des virtuellen Museumsrundgangs mit Schülerinnen und Schülern. Ein Clou folgt am Ende: Dort bekommen die Studierenden Material, um mit ihren späteren Klassen ebenfalls die virtuelle Exkursion nach New York machen zu können. „Denn eine echte Klassenfahrt zum Besuch dieses berühmten Museums ist wohl für kaum eine Schule möglich“, so Minkley.

Die virtuelle Exkursion können die Studierenden zeitlich flexibel absolvieren, in einem Stück oder in einzelnen Sequenzen. Und das wird auch weiterhin möglich sein. Denn sie bleibt auch in Zeiten der Präsenzlehre Teil des Angebots der Bochumer Fakultät. „Ihre zeitliche Flexibilität macht sie zu einer attraktiven Alternative für alle, die einen eng getakteten Stundenplan haben. Und sie ist eine Ergänzung zu den Präsenzexkursionen, zu denen wir nun wieder aufbrechen können, wenn wir beispielsweise die Natur auf einem ehemaligen Zechengelände untersuchen“, sagt Nina Minkley, die im Übrigen viele Stunden Arbeit in die besondere Exkursion investierte. Gemeinsam mit einer studentischen Hilfskraft stellte sie etwa Übersetzungen und Materialien für den virtuellen Museumsbesuch zusammen und absolvierte mehrere Testrunden auf der digitalen Lernplattform Moodle, die sie grundsätzlich intensiv für ihre Lehre nutzt. „Ich hoffe, dass dieses Angebot die angehenden Lehrerinnen und Lehrer ermutigt, eine solche virtuelle Exkursion auch für ihre Schüler und Schülerinnen zu konzipieren. Beispielsweise in den Regenwald oder das Wattenmeer, um an virtuellen Stationen diese einzigartigen Ökosysteme zu erforschen.“

Mit dem Entschluss, die virtuelle Exkursion auch weiterhin anzubieten, liegt die Ruhr-Universität voll im Trend: Denn dass digitale Angebote auch nach der Pandemie Teil der Hochschul-Lehre bleiben sollen, ist Wunsch vieler Studierender. Das zeigt eine Befragung des CHE Centrum für Hochschulentwicklung unter 6.000 Masterstudierenden: Für die langfristige Zukunft von Studium und Lehre nach der Pandemie wünschen sich Studierende mehrheitlich, dass digitale Lehrelemente weiter gezielt eingebunden werden, ohne jedoch auf Präsenzformate zu verzichten. Eine reine Präsenzlehre spielt demnach für die Studierenden zukünftig eine eher untergeordnete Rolle. Als Lernsetting der Zukunft werden eine mit digitalen Elementen angereicherte Präsenzlehre (29 Prozent) oder sogenannte Blended-Learning-Angebote (33 Prozent) bevorzugt. Das können Unterrichtsformate sein, die digitale Elemente wie etwa Erklärvideos zur Vorbereitung mit dem Seminarangebot auf dem Campus verbinden.

Ein ähnlicher Wunsch nach einer Mischung aus Präsenz und digitalen Anteilen zeigte sich bereits bei einer CHE-Befragung von Professorinnen und Professoren im Winter 2020/21. Die deutlichsten Unterschiede zwischen Studierenden und Lehrenden finden sich im Hinblick auf die hybride Lehre, bei der Teilnehmende vor Ort oder digital zugeschaltet sein können. Während die hybride Lehre für immerhin 25 Prozent der Studierenden ein wünschenswertes Zukunftsszenario darstellt, ist sie für Lehrende nicht das zukünftige Mittel der Wahl (5 Prozent).

Trotz des Wunsches nach mehr digitalen Lehrelementen sehen die Studierenden bei der Ausgestaltung der aktuellen Angebote aber noch Luft nach oben. „Ob eine Lehrveranstaltung auch digital zu begeistern vermag, hängt noch sehr stark von der einzelnen Lehrkraft ab“, fasst CHE-Studienleiterin Nina Horstmann die Ergebnisse der Befragung zusammen. So vergab ein Fünftel der Befragten für die Ansprache durch Lehrende in digitalen Lehrveranstaltungen nur eine Schulnote zwischen vier und sechs. „Damit der klar geäußerte Wunsch von Lehrenden und Lernenden nach guter digitaler Lehre auch nach Corona realisiert werden kann, müssen Hochschulen jetzt die richtigen Weichen stellen“, fordert Frank Ziegele. „Gute digital angereicherte Hochschullehre ist kein Selbstläufer für die Zukunft. Es braucht neben einem guten Konzept und der entsprechenden Mediendidaktik auch adäquate Rahmenbedingungen, vom technischen Support bis zu den Räumlichkeiten“, so der Geschäftsführer des CHE Centrum für Hochschulentwicklung.

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