RP-Serie "Das Jugendbuch" E. R. Frank: Ich bin Amerika

Nach einem erfolgreichen Debüt ist es immer schwierig, ein zweites Buch nachzulegen. Allzu oft kann das selbst geschaffene Niveau nicht aufrechterhalten werden. Doch der literarische Markt wäre frustrierend, gäbe es von dieser Regel keine Ausnahmen. Eine von ihnen ist die ehemalige Sozialarbeiterin E. R. Frank.

 "Ich bin Amerika" von E.R. Frank.

"Ich bin Amerika" von E.R. Frank.

Foto: Beltz Verlag

Schon mit ihrem ersten Titel, "Das Leben ist komisch", gelang ihr eine sowohl sprachlich als auch emotional beeindruckende Momentaufnahme der jugendlichen Unterschicht Brooklyns. Während sich dort die inhaltliche Kraft des Buches aus einem Kaleidoskop vieler Einzelgeschichten ergab, richtet sie in ihrer neuen Geschichte den Blick nun auf eine einzige Hauptperson. "Ich bin Amerika" ist ein außergewöhnlicher Titel auf dem Jugendbuchmarkt. Er nähert sich auf eine Weise seinem jugendlichen Protagonisten, die unter die Haut geht.

Der 16-jährige Amerika ist das, was man eine gescheiterte Existenz nennt: Der Vater ist verschwunden, die Mutter drogensüchtig, in der Pflegefamilie erfährt der Junge zwar Zuneigung, aber auch sexuelle Nötigung, Lügen und Druck. Immer, wenn er zu jemandem Vertrauen gefasst hat, steht er kurz darauf wieder allein da. Sein Wertgefühl für sich selbst und andere Personen wird früh gebrochen. Als Amerika in die psychologische Betreuung einer Anstalt kommt, ist er gewalttätig und hat einen Selbstmordversuch hinter sich.

E. R. Frank entwickelt die Geschichte Amerikas genauso zögerlich, wie auch in der Therapie erst langsam das Schweigen gebrochen wird. Nach und nach weicht die spröde, distanzierte Sprache auf und lässt ein Leben zu, wo bis dahin nur Verachtung und Hass waren.

(Rheinische Post)
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