25 Jahre nach Tschernobyl Besuch in der Todeszone

Düsseldorf (RPO). Als am 26. April 1986 in Tschernobyl der Reaktorblock des Lenin-Atomkraftwerkes explodierte, kam es zum atomaren Super-Gau. Radioaktivität von mehreren hundert Hiroshima-Atombomben wurde freigesetzt, rund 400 Dörfer wurden evakuiert, die Menschen zwangsumgesiedelt. In diesen Geisterstädten entstehen seit 2003 Rüdiger Lubrichts Fotografien.

Wie die Menschen mit der Katastrophe von damals leben
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Wie die Menschen mit der Katastrophe von damals leben

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Foto: AP

Zum Beispiel in der Stadt Pripjat. Erst 36 Stunden nach der Reaktorexplosion, am 27. April um 13 Uhr, begann dort die Evakuierung. In der Arbeiterstadt lebten zu diesem Zeitpunkt über 45.000 Menschen, darunter 16.000 Kinder.

Per Lautsprecher gaben die Behörden bekannt, dass die Stadt vorübergehend evakuiert werden müsse. Eine Stunde später bestiegen Pripjats Einwohner, mit dem Notdürftigsten ausgestattet, die mehr als tausend Busse. In ihre Stadt kehrten sie nie wieder zurück.

Abschied vom bisherigen Leben

Nur eine Stunde Zeit, um sich von seinem bisherigen Leben zu verabschieden. Da bleibt viel zurück. Viele Bilder Lubrichts zeigen die Spuren dieses überhasteten Aufbruchs: Vielerorts noch liegen Dinge des täglichen Gebrauchs herum, gerade so, als würden die Bewohner in Kürze zurückkehren.

In der Folgezeit ereilte viele Ortschaften ein ähnliches Schicksal. Kurze Zeit nach der Explosion schufen die Behörden eine 30-Kilometer-Sperrzone um den Reaktor. Bis zum Jahresende wurden aus der Umgebung insgesamt 116.000 Menschen in Sicherheit gebracht.

Oft wussten sie nicht, wohin die Busse sie bringen würden, manchmal wurden Eltern und Kinder auseinandergerissen. Wegen einer unsichtbaren und unbegreiflichen Gefahr waren sie gezwungen, ihr gesamtes Hab und Gut zurückzulassen.

Ausstellung und Buch

Diese Katastrophe nicht in Vergessenheit geraten lassen, das wollen die Macher der Wanderausstellung "25 Jahre nach Tschernobyl: Menschen — Orte — Solidarität", die seit Januar durch Deutschland tourt. Ausstellungs-Projektleiter Peter Junge-Wentrup vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk Dortmund und Kiew und Projektleiterin Dr. Astrid Sahm von der Internationalen Begegnungsstätte "Johannes Rau" in Minsk setzen auf eine "aktive Kultur des Erinnerns" und wollen vor allem die betroffenen Menschen in das Zentrum der Ausstellung rücken.

Der Lubricht-Bildband "Verlorene Orte - gebrochene Biografien" wirkt und überzeugt, auch ohne die Ausstellung gesehen zu haben — ist aber gleichwohl ein guter Nach-Begleiter des Ausstellungsbesuches. Zum Nachlesen in Ruhe, zum noch mal Anschauen — ein Buch gegen das Vergessen und für das Erinnern.

Peter Junge-Wentrup (Hrsg., IBB Dortmund)
Verlorene Orte | Gebrochene Biografien
Fotografien | Rüdiger Lubricht
Mit einem Vorwort von Dr. Astrid Sahm
120 Seiten, Gebunden
ISBN 978-3-935950-11-4
€ 25,— / € 20,— (am Ausstellungsort)

(csr/top)
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