Zwei Bücher erzählen aus ihrem Leben Letzte Gespräche mit Loki Schmidt

Düsseldorf (RP). Zwei spannende Interview-Bücher erinnern an die im Oktober des vergangenen Jahres gestorbene Ehefrau des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt.Darin erzählt Loki Schmidt über ihre Kindheit, ihre Ehe, den Alltag an der Seite eines Staatsmanns und über das Thema ihres Lebens: den Naturschutz.

Helmut und Loki Schmidt – gemeinsame Erinnerungen
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Helmut und Loki Schmidt – gemeinsame Erinnerungen

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Wie charmant Ernsthaftigkeit, Geradlinigkeit,ja sogar eine gewisseStrenge doch sein können. Mankann das erleben, wenn man LokiSchmidt liest. Wenn man ihr zuhört,wie sie in zwei Interview-Büchernmit norddeutscher Gelassenheitund einem gänzlich uneitlenSelbstbewusstsein Fragen über ihrLeben beantwortet. Gestellt werdensie in dem einen Buch "Aufdem roten Teppich und fest auf derErde" von dem ehemaligen Zeit-RedakteurDieter Buhl. Im zweiten"Auf einen Kaffee mit LokiSchmidt" von dem PädagogikprofessorReiner Lehberger.

In beidenGesprächen ist eine Loki Schmidtzu erleben, die ohne allen Geltungsdrang,ohne PR-Getue oderAnbiederei über ihr Leben spricht.Einfach, klug, ungekünstelt. Man istdas nicht mehr gewöhnt, so vielAufrichtigkeit im Medienzeitalter,so viel unaufgeplusterte Lebensweisheit.Man erkennt da, warumder Tod von Loki Schmidt im vergangenenOktober so viele Menschenso tief bewegt hat, warum dasVerstummen ihrer Stimme tatsächlichein Verlust ist für dieses Land.

Dabei ist es egal, ob Loki Schmidtüber Privates spricht, über ihreKindheit als Tochter eines Werftarbeiterszum Beispiel, den Arbeitslosigkeittrifft. Oder über Empfänge,Abendessen, Staatsbesuche an derSeite ihres Mannes, AltbundeskanzlerHelmut Schmidt.

Ob sieihm zugetraut habe, dass er ein guterKanzler sein werde, damals alsWilly Brandt aufgab, wird sie gefragt."Ja", sagt Loki Schmidt.Nichts weiter. Und ob sie das Gefühlgehabt habe, dass sie in seinemSchatten stehe? "Nein", erwidert siegenauso schlicht. Stärker als mitvielen Worten drückt sie da aus, wasGrundlage ihres langen Lebens miteinem berühmten, manchmal umstrittenen,immer öffentlich beobachtetenMann gewesen ist: Vertrauen.In den Partner und in sichselbst.

Dabei ist Loki Schmidt an andererStelle keineswegs einsilbig. Vorallem wenn sie über ihre Leidenschaftspricht, über Pflanzen, dasGärtnern, den Naturschutz. Dass esihr gelungen ist, eine Kamelie draußenimmer wieder zum blühen zubringen, berichtet sie stolz. Dochhat sie es bewusst nicht beim privatenGärtnern belassen, sondernsich für den Naturschutz engagiert.

Ihre Stiftung kürt seit 30 Jahren dieBlume des Jahres, in diesem Jahr istes die Moorlilie. Außerdem hat sieauf anderen Kontinenten Pflanzenentdeckt, die nun nach ihr benanntsind. Das hat sie glücklich gemacht,sagt sie. Das werde von ihr bleiben.

Aufschlussreich auch, was LokiSchmidt über die Zeit erzählt, in dersie als Lehrerin gearbeitet hat. Auchin den Jahren nach dem Krieg seienLehrer als Sozialarbeiter gefragt gewesenund hätten auch damalsschon vor großen Klassen gestanden,berichtet sie etwa. Doch würdenPädagogen für die Mühe ihresBerufs auch durch die Begeisterungsfähigkeitihrer Schüler entlohnt.Ein anstrengender Beruf seidas, ist ihr Resümee und durchausnicht für jeden geeignet, doch habeer sie in ihrer aktiven Zeit sehr erfüllt.

Mit großer Offenheit spricht LokiSchmidt auch über das Altwerden.Sie beschönigt nicht, dass ihr Lebenim hohen Alter beschwerlich gewordenist, dass sie für einfacheDinge viel Zeit gebraucht hat, dassimmer mehr Menschen aus ihremFreundeskreis gestorben sind undkeine neuen mehr hinzukamen.Doch ist es auch hier wieder dernüchterne, mit zarter Selbstironiedurchwirkte Ton, in dem sie vomAltwerden spricht, der so für LokiSchmidt einnimmt. Weil sie sichselbst ein "zähes Aas" nennenkann, aber auch nicht vorgibt, dasAlter ohne alle Schwierigkeiten zumeistern.

Nur über ein Thema spricht LokiSchmidt nicht so gern: Mode. AlsInterviewer Reiner Lehberger diesesThema vorschlägt, sagt sie erstnur "ooch". Doch dann fällt ihr zuden Schnittmustern von AenneBurda und dem Segen der Frauenhosedoch manches ein. Etwa, dassihre Tochter irgendwann einmal geklagthat, dass sie in ihrer KindheitSelbstgenähtes tragen musste,während die Freundinnen schonim Geschäft eingekleidet wurden.Trotz Rundumdieuhrbewachungund gelegentlicher Besuche hoherStaatsgäste — die Schmidts warenauch eine normale Familie.

Dass sie das Gespür für diese Normalitätnie verloren hat, das hatLoki Schmidt ausgezeichnet, dennihre Bodenständigkeit war wedergespielt noch war sie naiv, sie warihre Überzeugung. Und so sagt sieim Gespräch mit Dieter Buhl amEnde auch, dass es sie freuen würde,wenn ihr Haus einmal ein Museumsein werde und die Besucherdarin erleben könnten, dass diejenigen,die Deutschland einmal regierthaben, nur ganz normaleMenschen waren. "Das wäre sichersehr lehrreich, denn unser Demokratieverständnisist ja noch nichtso uralt."

Etwas von diesem Geistewünschte man auch mancher Politikergattin,die heute in der Öffentlichkeitbestehen muss.

(RP)
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