Warschau/Venedig Altmeister Wajda über Lech Walesa

Warschau/Venedig · In Venedig läuft der Film außer Konkurrenz, in Polen fiebert man Andrzej Wajdas "Mann der Hoffnung" entgegen.

Generationen von Polen sind mit den Filmen von Andrzej Wajda aufgewachsen. Der große alte Mann des polnischen Kinos brachte immer wieder die dramatische Geschichte seines Landes auf die Leinwand, voller Dramatik, Tragödien und gescheiterter Hoffnungen. Nun hat der 87-jährige Regisseur erneut einen Film über den Kampf der polnischen Arbeiter gegen das kommunistische System gedreht.

Mit "Walesa. Mann der Hoffnung" schließt sich zugleich ein Kreis. Der Film über den Gründer der Gewerkschaft "Solidarnosc" ist nach "Mann aus Marmor" und "Mann aus Eisen" der Abschluss von Wajdas Danzig-Trilogie. Gestern beim Filmfestival Venedig vorgestellt, läuft der Film in Polen erst am 4. Oktober in den Kinos an. "Der am meisten erwartete Film des Jahres", so heizte das politische Magazin "Polityka" in seiner aktuellen Ausgabe die Erwartungen an und fragte: "Rettet Wajda Lechs Mythos?"

Wajda selbst nannte Walesa gestern vor Journalisten in Venedig einen "Helden seiner Zeit", der weit über Polen hinaus eine historische Rolle gespielt habe: "Er brachte nicht nur die Freiheit nach Polen, er trug auch zum Fall der Berliner Mauer bei."

Der einstige Arbeiterführer und Friedensnobelpreisträger konnte in einer Privatvorstellung den Film bereits sehen. "Gelangweilt habe ich mich nicht", sagte er anschließend in einem Interview mit "Radio Gdansk". Ein paar Einwände hatte er allerdings doch an Walesa-Darsteller Robert Wieckiewicz: "So ein Narr, so anmaßend war ich nicht!" Wieckiewicz versicherte vor Journalisten in Venedig, diesen Eindruck habe er auch keinesfalls erwecken wollen. Dabei sind es gerade arrogante, unbedachte Bemerkungen, die den Walesa-Mythos in den vergangenen 20 Jahren bröckeln ließen. Zuletzt sorgte der 69-Jährige für Aufsehen, als er sich für gesonderte Plätze für homosexuelle Abgeordnete im Parlament aussprach. In der Biografie seiner Ehefrau Danuta wurde er als Macho beschrieben, der lieber Weltgeschichte machte, als mal im Haushalt und bei der Erziehung der acht Kinder zu helfen.

Als polnischer Staatspräsident nach dem Zusammenbruch des Kommunismus enttäuschte sein autoritäres Machtverständnis alte Verbündete aus der Bürgerrechtsbewegung. In Wajdas Film, der mit Walesas Erfahrung der blutigen Niederschlagung der Werftarbeiter-Streiks im Dezember 1970 beginnt und mit der Rede des Arbeiterführers im November 1989 endet, wird all das ausgespart. "Er hat getan, was kein anderer tun konnte", so verteidigte Wajda in Venedig Walesa. "Die kommunistischen Behörden konnten nicht mit Professor Geremek (einem der führenden intellektuellen Oppositionellen, später Außenminister) reden, der an der Sorbonne lehrte. Nur ein Arbeiter konnte das tun."

(dpa)
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