Abschied vom Tarifvertrag Weniger Lohn für Berufsanfänger in NRW

Düsseldorf · Auf der Suche nach Einspar-Möglichkeiten verlassen Konzerne zunehmend den klassischen Tarifvertrag. So plant der Mobilfunkriese Vodafone die Gründung einer Servicegesellschaft für den Kundendienst Privatkunden, in der das Startgehalt deutlich niedriger liegen soll als im Mutterkonzern. Statt 2500 Euro an Startgehalt soll es künftig nur noch rund 1500 Euro geben.

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Foto: ddp

Vodafone will einen Haustarifvertrag abschließen und damit aus dem aktuellen, deutlich höher bezahlenden Tarifvertrag mit der IG Metall herauskommen. "Wir müssen uns am Markt orientieren", hatte Vodafone-Chef Jens Schulte-Bockum jüngst erklärt.

In dieser Woche will der Konzern das Konzept dem Betriebsrat vorstellen, wie unsere Zeitung aus Unternehmenskreisen erfuhr. Die neue Gesellschaft solle so schnell wie möglich starten. Der Betriebsrat lehnt die Pläne ab.

Vodafone ist kein Einzelfall. Auch andere Konzerne hierzulande versuchen, Personalkosten zu sparen, in dem sie neue Gesellschaften mit günstigeren Gehältern gründen. Betroffen sind vor allem Konzerne in Krisen-Branchen, von denen viele in Nordrhein-Westfalen sitzen. So bauen Eon und RWE, die mit den Folgen der Energiewende kämpfen, ebenfalls Service-Gesellschaften auf.

Die sollen einfache Tätigkeiten in Rechnungs- und Personalwesen billiger erledigen. Eon baut mehrere "Shared Service Center" in Berlin und im rumänischen Cluj auf. RWE kündigte jüngst den Aufbau einer solchen Service-Gesellschaft im polnischen Krakau an, die zunächst mit 99 Mitarbeitern starten soll.

Meistens wird bei solchen Ausgründungen Besitzstandswahrung vereinbart: Altgediente Mitarbeiter, die in die neue Firma wechseln, behalten ihre bisherigen Ansprüche. Doch Neueinsteiger, insbesondere Berufsanfänger, müssen sich mit deutlich weniger zufrieden geben. "Gerade ältere Kollegen finden es oft sehr problematisch, wenn die jüngeren kurz gehalten werden", sagt Lothar Schröder, Vorstand der Gewerkschaft Verdi.

Zweiter Trend: Unternehmen wechseln in günstigere Tarifverträge. Der Versandhändler Amazon etwa will in seinen Verteilzentren, von denen eins in Rheinberg liegt, nur Gehälter nach dem Großhandels-Tarif zahlen — und nicht die höheren des Einzelhandels. Ein erstaunliches Ansinnen, Amazon ist der am stärksten wachsende Einzelhandelskonzern der Welt.

Ein dritter Trend: Zunehmend scheiden Unternehmen ganz aus dem Tarifvertrag aus. Während 1996 noch 70 Prozent der Arbeitnehmer in Westdeutschland nach Branchentarifverträgen bezahlt wurden, waren es vergangenes Jahr nur noch 54 Prozent. Das Gehalt von weiteren sieben Prozent der Beschäftigten hängt von einem Firmentarifvertrag ab. 39 Prozent sind mittlerweile ganz ohne tarifliche Bindung.

So kündigte Karstadt vor wenigen Tagen an, eine "Tarifpause" von zwei Jahren einzulegen. Der angeschlagene Essener Warenhaus-Konzern bleibt zwar im Arbeitgeberverband, aber ohne tarifliche Bindungen. So werden die 20 000 Mitarbeiter des Unternehmens für zwei Jahre von Lohnerhöhungen ausgeschlossen.

(RP/csi)
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