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Milliarden-Schulden Traditionskonzern RWE in Not

Essen · Milliarden-Schulden, Gewinn-Absturz und kein Spielraum mehr für Investitionen: Der Essener Konzern steckt in der tiefsten Krise seiner Geschichte. Selbst in der Ökostrom-Sparte soll die Belegschaft jetzt halbiert werden.

 Peter Terium kennt beim Sparen keine Tabus.

Peter Terium kennt beim Sparen keine Tabus.

Foto: dpa, Roland Weihrauch

Das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk war mal der Stolz des Ruhrgebietes: Es lieferte den Strom für das Wirtschaftswunder und sichere Dividenden für die Städte, es mischte vielen Konzernen im Revier wie Hochtief mit. Nun, im 115. Jahr seines Bestehens und im Jahr drei nach der deutschen Energiewende ist RWE nur noch ein Schatten seiner selbst. Keinen deutschen Energiekonzern drücken so hohe Schulden (35 Milliarden Euro, bei Eon sind es "nur" 33 Milliarden). Keiner baut so viele Stellen ab: Die Zahl der RWE-Beschäftigten soll nach Überlegungen im Konzern von 70.000 in einigen Jahren auf 50 000 sinken. Eon streicht dagegen "nur" 11.000 von 80.000 Stellen.

Mit Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro kommt RWE schon nicht mehr aus, nun sollen es zwei Milliarden werden. Selbst an der Zukunft muss der Konzern sparen. In der Ökostrom-Sparte RWE Innogy soll die Belegschaft von derzeit 1500 halbiert werden. Das hat Innogy-Chef Hans Bünting nun in einem Brief an die Belegschaft erläutert. Sogar die Beteiligung am ersten deutschen Offshore-Windpark "Nordsee 1" muss RWE senken. Dass das Innogy-Sparprogramm "Fit for future all" heißt, empfinden viele Mitarbeiter als Hohn. "Was sollen wir tun? Es ist einfach kein Geld mehr da, um zu investieren", heißt es dagegen im Management.

In der Kraftwerkssparte — dem Herzstück des Konzerns — sollen, wie berichtet, bis zu 3500 Stellen wegfallen, davon rund 2500 der 14 500 Arbeitsplätze in Deutschland, die übrigen in den Niederlanden und in Großbritannien. Den verbleibenden Mitarbeitern will RWE-Chef Peter Terium am liebsten eine Nullrunde verordnen. Im nächsten Jahr laufen hierzu die Tarifverhandlungen an. Die Gewerkschaft Verdi machte gestern noch einmal klar: "Nullrunden wird es mit uns nicht geben." Auch ein Ende des Kündigungsschutzes, wie es der Konzern nach 2014 am liebsten hätte, lehnt Verdi ab.

Terium kennt beim Sparen keine Tabus und Traditionen. Schon kurz nach Amtsantritt hatte er sich intern über die "Energie-Beamten" von RWE mokiert. Nun ließ er in Szenarien einen vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohle-Förderung in Garzweiler II durchspielen, wenngleich RWE offiziell weiter daran festhält.

Als Terium seinen Aufsichtsräten vor wenigen Wochen in Warschau die düstere Lage des Konzerns schilderte, nannte er den Verfall der Strom-Großhandelspreise ein "ernstes bis existenzbedrohendes Problem". Die Preise sind wegen des Überangebots an deutschem Strom von einst 60 Euro je Kilowattstunde auf 37 Euro gefallen. Schon jetzt verdient die Hälfte der RWE-Kraftwerke ihre Kapitalkosten nicht mehr. Und vom Handel mit fremdem Strom und dem Kassieren von Netzentgelten allein kann der Dax-Konzern auf Dauer nicht leben.

Dass Terium, der einst Steuerprüfer gelernt und vor zehn Jahren als Controller bei RWE angefangen hatte, sparen kann — daran zweifelt keiner. Er machte seinen entsetzten kommunalen Anteilseignern wie Essen, Dortmund, aber auch Mettmann klar, dass sie künftig mit der Hälfte der Dividende auskommen müssen. Flossen zuletzt noch 350 Millionen Euro in die Kassen der Kommunen, sind es künftig 175 Millionen. Weitere Senkungen sind nicht ausgeschlossen. Was Terium bislang noch schuldig ist, ist eine Vision, wie es nach dem Kahlschlag weitergeht.

(RP)
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