Interview mit dem Bankenpräsident Andreas Schmitz "Langfristig droht die Inflation"

Düsseldorf (RP). Bankenpräsident Andreas Schmitz sprach mit unserer Redaktion über die Finanzkrise, die Rolle der Ratingagenturen und die Entwicklung der Euro-Zone. Langfristig droht der Wirtschaft laut Meinung des Experten eine Inflation.

Was Inflation konkret bedeutet
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Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Herr Schmitz, haben sich die Banken in der Krise zu weit von den Menschen entfernt?

Schmitz Die Menschen sind verunsichert, zum einen, weil in der Bankenwelt in der Vergangenheit viele Fehler gemacht wurden, zum anderen weil die Politik keine klaren Entscheidungen trifft. Sie läuft den Entwicklungen hinterher, ist immer hinter der Kurve. Von dem Feuer, das jetzt entstanden ist, hätte man viel austreten können, wenn man beispielsweise im vergangenen Jahr einen angemessenen Schuldenschnitt Griechenlands vorgenommen hätte. Wichtig ist, dass Entscheidungen nachvollziehbar sind.

Aber die Politik hat nicht allein Schuld an dem Dilemma.

Schmitz Nein. 2008 haben Banken einige Länder in Schwierigkeiten gebracht. In der aktuellen Krise ist es umgekehrt: Manch überschuldete Länder bringen die Banken in Schwierigkeiten.

Das Kernproblem?

Schmitz Wir sprechen offenbar unterschiedliche Sprachen. Die Kommunikation zwischen den politischen Entscheidungsträgern und den Kapitalmärkten funktioniert nicht, weil die Politik ihre Handlungsalternativen nicht vernünftig erklärt. Doch das ist das A und O. Die Märkte müssen der Politik vertrauen können. Sie müssen daran glauben, dass die Staaten ihre Schulden zurückzahlen können.

Der Durchbruch wurde oft angekündigt, kam aber nie. So langsam geht der Glaube bei den Bürgern verloren . . .

Schmitz . . das stimmt. Der Politik fehlt es eindeutig an Entscheidungskraft. Europa braucht mehr politische Führung. Irgendwann muss man sich entscheiden, was man will.

Was wollen Sie denn?

Schmitz Die Politik muss die Grundlagen entscheiden und nicht immer nur von einem Wahltermin bis zum nächsten denken. Entweder wir bekommen eine politische Union, die sich gemeinsam finanziert und auch gemeinsam das Risiko trägt. Oder wir bleiben bei dem jetzigen gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum, verbunden mit einem Stabilitätspakt und zusätzlichen nationalen Schuldenbremsen. Ich bin für diese zweite Variante, kann aber auch mit der ersten leben. Wichtig ist nur, dass die Regierenden wissen, was sie wollen und das auch erklären.

Warum die zweite Variante?

Schmitz Ich bin ein überzeugter Europäer, aber die Interessen innerhalb der Staatengemeinschaft gehen extrem auseinander. Die Kultur in Europa ist nun einmal unterschiedlich, so etwas lässt sich nicht so schnell ändern.

Glauben Sie unter diesen Vorzeichen, dass die Politik eine gemeinsame Lösung hinbekommt?

Schmitz Sie muss es schaffen. Wenn Europa sich nicht einigt, dann sind wir irgendwann eine Randerscheinung in der globalen Welt. Wir brauchen mehr Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit China und Indien, und wir dürfen unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht an das Niveau der Schwächeren anpassen.

Was müssen wir also tun?

Schmitz Ein simples kaufmännisches Prinzip: Wir müssen die Einnahmen erhöhen und die Ausgaben senken. Deshalb sind Steuerentlastungen momentan falsch. Bevor Wohltaten verteilt werden können, müssen die Schulden des Staates getilgt werden.

Ist die Politik mit der Komplexität der Materie überfordert?

Schmitz: Das muss jeder für sich selbst beantworten, egal ob Politiker, Banker oder Journalist. Die Produktwelt ist hochkompliziert geworden, und es hat auch Fehlentwicklungen gegeben. Nehmen Sie zum Beispiel die Verbriefung. Eigentlich ein gutes Instrument, um das Risiko zu verteilen. Aber wenn Sie verschiedene Stücke Gammelfleisch bündeln, wird daraus noch lange kein Premium-Steak. Verbriefungen machen nur Sinn, wenn es einen Selbstbehalt gibt, diesen einzuführen, war sinnvoll. Wer Kredite verbrieft, muss auch einen Teil des Risikos selbst tragen.

Die Märkte handeln heute wesentlich schneller als die Politik. Politiker wirken wie Getriebene der Märkte. Ist die Demokratie in der Krise?

Schmitz Ich bin überzeugter Demokrat. Aber auch die Demokratie muss sich weiterentwickeln. Die europäischen Staaten brauchen häufig zu lange um zu reagieren. Das liegt natürlich auch an den Prozessen, die wir in der Europäischen Union haben. Hier muss sich Europa der Geschwindigkeit des 21. Jahrhunderts stellen.

Zurück zur Euro-Krise: Den Stabilitätspakt halten nur noch wenige Mitglieder der EU ein. Macht er in der gegenwärtigen Form noch Sinn?

Schmitz Länder, die dauerhaft nicht willens oder in der Lage sind, die Stabilitätskriterien zu erfüllen, müssen aus der Ersten Liga absteigen. Wer gut genug ist, kann dann auch wieder aufsteigen . . . .

. . . und die Kriterien für die Erste Liga?

Schmitz: Die stehen im Maastricht-Vertrag Er schreibt eine Verschuldungsgrenze von 60 Prozent vor. Diese Vorschrift muss erfüllt werden. Sollte es nicht ohnehin unser Ziel sein, die Verschuldung deutlich zu senken? Deutschland geht es gut, aber dieser Wohlstand wurde auf dem Rücken künftiger Generationen finanziert.

Wie geht es mit Griechenland weiter?

Schmitz Griechenland braucht einen Schuldenschnitt von mindestens 50 Prozent. Und die europäischen Banken, die dadurch viel Geld verlieren und dann zu wenig Kapital haben, müssen frisches Geld bekommen. Aber bitte nicht mit der Gießkanne, sondern nur da, wo es nötig ist. Schließlich: Der Rettungsfonds EFSF muss handlungsfähig sein. Über den EFSF-Rettungsfonds sollen bis zu zwei Billionen Euro in die Märkte gepumpt werden.

Führt das zu mehr Inflation?

Schmitz Kurz- und mittelfristig nicht. In der sich abschwächenden Weltkonjunktur gibt es keine Spielräume für Preiserhöhungen. Außerdem haben die Notenbanken derzeit kein Interesse an steigenden Zinsen, weil das die Refinanzierung der Staaten noch teurer machen würde. Aber langfristig droht die Gefahr schon, weil einfach zu viel Liquidität im Raum ist. Die fließt in Rohstoffe und in die Schwellenländer, so dass wir über diese Umwege langfristig Inflation importieren.

Was meinen Sie mit "mittelfristig"?

Schmitz Einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren. Das sollten die Zentralbanken im Blick behalten und gegensteuern.

Welchen Anteil haben die Ratingagenturen an der Krise?

Schmitz Keinen wesentlichen. Ratingagenturen sind nur das Fieberthermometer, aber sie lösen das Fieber nicht aus. Allerdings sind die Urteile der Agenturen nicht immer exakt. Die Bankenkrise etwa haben die Agenturen zu spät gesehen und zu lange zu positive Urteile abgegeben. Jetzt scheint mir ihr Blick auf die Staaten etwas zu streng zu sein.

Sind Banken- und Eurokrise auch Ausdruck einer Krise der Volkswirtschaftslehre?

Schmitz Offensichtlich. Die meisten Volkswirte haben weder die eine noch die andere Krise rechtzeitig kommen sehen. Und auf beide Krisen liefert die Volkswirtschaftslehre keine schlüssigen Antworten.

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