Thyssenkrupp und Tata Es knirscht beim Stahl-Joint-Venture

Essen · Thyssenkrupp und Tata wollen ihr europäisches Stahlgeschäft fusionieren. Doch die EU-Kommission hat gegen das Vorhaben Bedenken. Nun reagieren die Konzerne mit einigen Zugeständnissen. Ob das reicht, ist fraglich.

Die geplante Stahl-Hochzeit von Thyssenkrupp und Tata Steel bleibt eine Zitterpartie. Eigentlich waren die Konzerne zuversichtlich, dass Joint Venture noch im Frühjahr an den Start zu bringen. Doch EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte im vergangenen Oktober Bedenken zu dem Vorhaben angemeldet und eine „vertiefte wettbewerbsrechtliche Prüfung“ des Vorhabens eingeleitet. Durch den Zusammenschluss sah Brüssel den Wettbewerb insbesondere für Verpackungsstahl, Elektroband und den Stahl für die Automobilindustrie  gefährdet. Sie befürchtete, dass Kunden höhere Preise zahlen müssten.

Anfang der Woche haben die Unternehmen auf die Bedenken aus Brüssel reagiert und Nachbesserungen zugesagt. Sprich: den Verkauf einzelner Unternehmensteile angeboten. Thyssenkrupp und Tata verschaffen sich  damit zumindest schon einmal etwas mehr Zeit. Die Prüffrist verlängerte sich automatisch auf den 5. Juni. Detaillierte Auskunft über die angebotenen Maßnahmen wollte Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff  zwar nicht geben, er erklärte aber: „Unsere Vorschläge decken aus unserer Sicht alle von der Kommission vorgetragenen Bedenken ab.“ Das Angebot sei weitreichend und ein substanzielles Entgegenkommen. „Gleichzeitig ist es für die Joint-Venture-Partner akzeptabel und kein Risiko für die industrielle Logik des Gemeinschaftsunternehmens.“

Dem Vernehmen nach soll der Essener Konzern angeboten haben, eine Feuerverzinkungsanlage im spanischen Sagunto zu verkaufen. Tata könnte sich von ähnlichen Aktivitäten in Belgien trennen. Um dem Käufer das Angebot zu versüßen, soll Thyssenkrupp angeboten haben, langfristige Liefergarantien für günstige Vorprodukte einzugehen.  Die Bedenken beim Verpackungsstahl sollen dadurch ausgeräumt werden, dass Tata Anlagen in Belgien und Großbritannien veräußert. Vor allem letzter Punkt könnte aber vor dem Hintergrund eines drohenden Brexit noch zu erheblichen Diskussionen führen. So könnte die EU-Kommission argumentieren, dass ein Verkauf von britischen Werken nicht zur Abmilderung der Bedenken auf dem europäischen Binnenmarkt führt. Dies dürften Thyssenkrupp und Tata jedoch anders sehen und sich auf den Standpunkt stellen, dass zum Zeitpunkt der Beantragung des Joint Ventures das Vereinigte Königreich ja sehr wohl Bestandteil des europäischen Wirtschaftsraums gewesen sei.

Blieben noch die Bedenken beim Elektroband, ein magnetischer Stahl, der beispielsweise in Strom-Transformatoren verbaut wird. Doch offenbar hat die Kommission ihre Bedenken diesbezüglich im Zuge der Prüfung aufgegeben.

Mit der Konzentration auf das spanische Werk umgeht Thyssenkrupp den unliebsamen Konflikt mit den deutschen Arbeitnehmervertretern. Diese hatten eine Aufgabe deutscher Aktivitäten als „rote Linie“ bezeichnet. Ob die nun gemachten Vorschläge jedoch reichen, um die Kommission zu überzeugen, ist fraglich. Dem Vernehmen nach soll diese in den kritischen Bereichen die Abgabe der gesamten Wertschöpfungskette gefordert haben. Dem sind die Unternehmen offenbar nicht nachgekommen. Ein nicht ungefährliches Spiel. Immerhin scheut  Vestager auch vor unpopulären Entscheidungen nicht zurück. Trotz der Proteste aus Deutschland und Frankreich hatte sie erst kürzlich den Zusammenschluss der Zugsparten von Siemens und Alstom untersagt. Sollten die Bedenken gegen das Stahl-Joint-Venture überwiegen, ist auch ein völliges Scheitern denkbar. Dass Thyssenkrupp und Tata über die nun vorgelegten Vorschläge noch deutlich hinausgehen dürften, gilt als unwahrscheinlich.

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