Preisträger „Wirtschaft im Wandel“ NRW-Start-up züchtet Insekten für nachhaltigere Landwirtschaft

Ahaus · Drei Ahauser verarbeiten schwarze Soldatenfliegen zu Mehl, das sie als Futtermittel verkaufen. Jetzt wollen sie Bauern aus der Umgebung dafür begeistern.

Das Start-up Illucens verarbeitet Insektenlarven zu Futtermittel.

Das Start-up Illucens verarbeitet Insektenlarven zu Futtermittel.

Foto: Illucens

Als Dirk Wessendorf vor 13 Jahren eine alte Fabrikhalle in Ahaus kaufte, ahnte er nicht, dass er darin mal Insekten züchten würde. Er überlegte lange, was er mit den 10.000 Quadratmetern anstellen könnte – bis er einen Züchter von schwarzen Soldatenfliegen kennenlernte.

Das ist eine Insektenart, die man – ähnlich wie Schweine – erst mästen, dann schlachten und schließlich zu Tiernahrung oder Lebensmitteln weiterverarbeiten kann. Vor allem aber macht sie Landwirtschaft nachhaltiger, denn sie verwertet Futter besser als andere Nutztiere und ihre Ausscheidungen kann man beispielsweise als Dünger verwenden.

Der Gedanke ließ Wessendorf nicht mehr los und er gründete 2018 gemeinsam mit dem Ahauser Landwirt Günther Wielens und Elektrotechniker Martin Ewering das Start-up Illucens. Es produziert im industriellen Stile Larven der schwarzen Soldatenfliege, die im Lateinischen „Hermetia Illucens“ heißt, trocknet sie oder verarbeitet sie zu Insektenöl oder -mehl. Damit kann man dann Heim- oder Nutztiere füttern.

Foto: Land der Ideen

„Diese Kompostfliege bietet so viele Vorteile“, sagt Firmensprecherin Bärbel Girardin. Denn die Larven ernähren sich von landwirtschaftlichen Reststoffen, die ansonsten lediglich in Biogasanlagen verwertet werden. So entstehen wertvolle Proteine – ein sogenannter Upcycling-Prozess entsteht. Upcycling bedeutet, dass aus Abfallprodukten neuwertige Produkte hergestellt werden.

Das Öl, das man aus den Insekten gewinnen kann, ist reich an Laurinsäure und kann Palmöl ersetzen, Chitin wird in der Kosmetikindustrie eingesetzt. „Insgesamt können Insekten dazu beitragen, eine nachhaltige, regionale und klimafreundliche Kreislaufwirtschaft zu etablieren“, sagt Girardin. Der Importbedarf an Protein werde gesenkt, Abfälle würden reduziert.

Mit seinem nachhaltigen Konzept hat Illucens die Jury vom Wettbewerb „Wirtschaft im Wandel“, den die Rheinische Post gemeinsam mit der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ und dem General-Anzeiger Bonn ausrichtet, begeistert. Es ist eines von drei Start-ups, das einen Preis erhält. Installion hat unsere Redaktion bereits vorgestellt, in den kommenden Tagen folgt das nächste junge Unternehmen. „Die Gründer waren überrascht und sehr erfreut zugleich, als sie von dem Preis erfahren haben“, sagt Sprecherin Girardin. Sie hätten zwar schon viel erreicht, aber selten darüber gesprochen. Deshalb habe sie beschlossen, die Idee von Wessendorf, Wielens und Ewering mit der Bewerbung bei „Wirtschaft im Wandel“ in die Welt hinauszutragen. Schließlich trage Illucens eindeutig zu besagtem Wandel bei.

Über den Umsatz des Start-ups möchte Girardin nicht sprechen. Illucens produziere erst seit zwei Jahren, inzwischen 800 Tonnen Insektenmehl pro Jahr, habe 13 Mitarbeiter und sei noch im Wachstum. Wessendorf und seine Mitgründer haben sich zum Ziel gesetzt, die Produktion von nachhaltigen Proteinen auf Basis der schwarzen Soldatenfliege stetig zu steigern. Dafür wollen sie Landwirte in der Umgebung ins Boot holen – als Insektenmäster.

Das heißt, Illucens liefert ihnen die Larven, die Bauern mästen sie zehn Tage lang, schlachten sie, indem sie sie in 70 Grad heißes Wasser legen, und trocknen sie anschließend. Dann werden sie zurück zu Illucens transportiert und dort weiterverarbeitet. „Das klingt ähnlich wie die Schweinemast, ist aber sehr viel platzsparender und nachhaltiger“, sagt Girardin. Zehn Landwirte hätten die Illucens-Gründer schon überzeugen können – und es sollen noch mehr werden, wenn es nach ihnen geht.

  Dirk Wessendorf, Mitgründer des Start-ups Illucens.   Foto: Illucens

Dirk Wessendorf, Mitgründer des Start-ups Illucens. Foto: Illucens

Foto: Illucens

Auf einem Fest hat Wessendorf den Gästen sogar einmal Wurst aus Insektenmehl angeboten, erinnert sich Girardin. Vielen habe dieses Produkt der Zukunft sehr gut geschmeckt. Auch, wenn Insektenwurst erst einmal gewöhnungsbedürftig klinge.

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