Kindergärten, Krankenhäuser, Müllabfuhr Ab nächster Woche drohen Warnstreiks

Potsdam · Erzieherinnen, Krankenschwestern, Feuerwehrmänner: Sie alle wollen mehr Geld. Die Fronten in den Tarifgesprächen sind gleich zum Auftakt verhärtet - die Gewerkschaften rufen nun zu Warnstreiks auf.

Frank Bsirske: Stationen eines Berufsfunktionärs
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Merseburg, Bremen, Wittenberg: Aus vielen Regionen Deutschlands sind sie an diesem Donnerstag nach Potsdam gereist. Die kommunalen Mitarbeiter vereint ein Ziel: mehr Geld. "Bei uns ist jetzt der Ofen aus, rückt endlich mal mehr Kohle raus", heißt es auf Transparenten vor dem Hotel, in dem Gewerkschaften und Arbeitgeber zum Verhandlungsauftakt zusammenkommen.

6,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro, wollen die Tarifunion des Beamtenbundes dbb und Verdi für rund zwei Millionen Beschäftigte beim Bund und den Kommunen herausschlagen. Die Arbeitgeber halten das für viel zu viel. Nun kommt es wieder zum Showdown - nächste Woche gibt es Warnstreiks.

Mit viel Applaus empfangen die rund 250 Demonstranten Verdi-Chef Frank Bsirske. Und der greift das Aufregerthema schlechthin der vergangenen Tage auf: Der zurückgetretene Bundespräsident Christian Wulff bekommt nach nur 20 Monaten im Amt bis zum Lebensende Ehrensold vom Staat. Der beläuft sich auf knapp 200 000 Euro im Jahr, eine Summe, von denen viele kleine Angestellten der Kommunen nicht einmal zu träumen wagen.

Gemeinden mit hohen Schulden

"Was wir brauchen, ist ein Ehrensold für Müllwerker, für Krankenschwestern, für Berufsfeuerwehrleute. Die haben das verdient", ruft Bsirske. Viel zu lange hätten sich die öffentlich Beschäftigten zurückgehalten, meint der Gewerkschaftschef. Doch die relativ gute Konjunktur von 2011, auf die Bsirske verweist, schwächt sich laut Prognosen 2012 schon wieder ab. Im Verhandlungszimmer braucht es daher schlagkräftigere Argumente, um Arbeitgeber von deutlich höheren Lohnzahlungen zu überzeugen.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber, Thomas Böhle, räumen zwar ein, dass es auch für die Staatsbediensteten Lohnerhöhungen geben muss. Die Forderungen der Gewerkschaften sind für sie aber jenseits von Gut und Böse. Zwar geht die Neuverschuldung der Kommunen zurück, da die Steuereinnahmen zuletzt wieder gestiegen sind. Jedoch stehen die Gemeinden mit 128 Milliarden Euro in der Kreide - beim Bund sind es 1,3 Billionen Euro.

Den Gewerkschaften geht es auch um Grundsätzliches. Der Chef des Beamtenbundes, Peter Heesen, verwies wiederholt auf den Personalabbau in den städtischen Verwaltungen. Mehr Arbeit für den Einzelnen und höhere Krankenquoten seien die Folge. Und Bsirske warnte kürzlich angesichts von Privatisierungen öffentlicher Aufgaben: "Wir haben einen Entstaatlichungsprozess, der die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in der Perspektive bedroht." Doch wenn kein Schnee geräumt werde, weil sich dies für private Firmen im harten Winter nicht rechne, bekomme das auch der Bürger zu spüren.

Das Argument, dass es öffentlich Beschäftigte im Vergleich zu anderen noch gut hätten und sie beispielsweise in der Krise nicht mit Massenentlassungen wie jetzt bei der Drogeriekette Schlecker rechnen müssten, lassen die Gewerkschaften nicht gelten. Auch im öffentlichen Dienst seien befristete Arbeitsverträge und Teilzeitarbeit ausgeweitet worden.

Eurokrise? Staatsverschuldung? Schuldenbremse? "Man kann Haushaltsdefizite nicht in den Griff bekommen, indem man in die Krise hineinspart. Das gelingt nur, wenn Wachstum kommt", entgegnet Bsirske. Wachstum gebe es, indem die Nachfrage im Binnenmarkt angekurbelt werde - über Lohnerhöhungen.

Nach rund vier Stunden am Verhandlungstisch ist klar, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber sehr weit auseinanderliegen. Friedrich spricht von "unverständlichen Forderungen", die die Gewerkschaften den Arbeitgebern "zumuten". Böhle hält sie gar für "abwegig". Ohne realistische Forderungen kein Angebot, sagt Böhle.

Wenige Minuten später kündigt Bsirske Warnstreiks an - ab der kommenden Woche, in allen Bundesländern. Vor allem in den Kommunen werden das die Bürger zu spüren bekommen - beispielsweise in Kitas.

(dpa)
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