Düsseldorf Düsseldorf wird Groß-Drehkreuz

Düsseldorf · Nur München und Berlin wachsen noch schneller als der Flughafen Düsseldorf. Mit der neuen Drehkreuz-Struktur im Rücken bindet die Landeshauptstadt immer mehr internationale Fluggesellschaften an sich. Trotzdem wackeln 400 Jobs.

Der Präsident des deutschen Flughafen-Verbandes ADV befürchtet das Aus für mehrere Fluggesellschaften. "Die neue Belastung durch den Emissionshandel, die Luftverkehrssteuer und der hohe Ölpreis sind enorme Belastungen. Ein Ausleseprozess ist vorprogrammiert", sagte Christoph Blume gestern in Düsseldorf, wo er als gleichzeitiger Chef des größten NRW-Flughafens einen Ausblick auf das nächste Jahr gab.

Die schwierige Lage der Fluggesellschaften färbt vor allem auf kleinere Flughäfen ab. Grund: Sie haben sich überwiegend auf Billigflieger wie Ryanair, Easyjet und Air Berlin spezialisiert. Genau die streichen derzeit aber ihre Streckennetze zusammen, weil die kostenbedingt höheren Ticketpreise ihre preissensible Kundschaft verprellen. "Im Flughafengeschäft sind die Fixkosten sehr hoch. Kleinere Flughäfen können auf die neue Situation schlecht reagieren. Für sie sehe ich ein sehr schwieriges Jahr 2012", sagte Blume. Somit zeichnet sich auch in der deutschen Flughafen-Landschaft eine Konsolidierung ab, von der große Flughäfen wie Düsseldorf laut Blume aber profitieren werden – zumal Air Berlin in Düsseldorf kaum Strecken streichen will.

"Bei uns macht sich die strategische Entscheidung für eine Drehkreuz-Struktur jetzt bezahlt, der Umsteige-Verkehr ist inzwischen unser größter Wachstumstreiber", sagt Blume. Während das Wachstum der Punkt-zu-Punkt-Passagiere in Düsseldorf im ersten Halbjahr um neun Prozent stieg, wuchs die Zahl der Passagiere, die in Düsseldorf umsteigen, um 25 Prozent. Inzwischen ist jeder zehnte Passagier ein Düsseldorf-Umsteiger.

Vor allem Air Berlin und Lufthansa nutzen Düsseldorf als Drehscheibe zum Sammeln von Passagieren aus ganz Europa, um sie von hier gebündelt auf die Langstrecke zu schicken. Drehkreuze verstärken sich automatisch, weil Streckennetze mit Drehkreuz-Struktur effizienter als reine Punkt-zu-Punkt-Netze sind. So konnte Düsseldorf im vergangenen Jahr auch den Lufthansa-Partner Air China und den Air-Berlin-Partner Etihad als neue Kunden gewinnen, die von hier nach Peking und Abu Dhabi fliegen. Aber eben auch wieder zurück – was den Drehkreuz-Effekt potenziert: So steht Düsseldorf im Begriff, auch Umsteigplattform für Araber zu werden, die aus Abu Dhabi in die USA fliegen wollen, wo Düsseldorf inzwischen sieben Ziele anbietet.

Den Abstand zu Deutschlands größtem Drehkreuz in Frankfurt wird Düsseldorf nicht aufholen. Aber verkleinern: Düsseldorf wächst schneller. Auch, weil NRW der größte Wirtschaftsraum Deutschlands ist. Im nächsten Jahr kommt in Düsseldorf eine neue Tokio-Strecke der Lufthansa hinzu, so dass dann 30 Langstrecken-Ziele mit mehr als 100 wöchentlichen Abflügen nach Amerika, Afrika und Asien erreichbar sind. Damit erreicht Düsseldorf aus Sicht von Verkehrsexperten allmählich ein Vernetzungs-Niveau, das immer steiler steigende Wachstumsraten verspricht: Ab 50 Langstrecken-Destinationen gilt ein Flughafen für große Airlines als kaum noch verzichtbare Adresse. Offenbar können das Düsseldorfer Wachstum nur noch politische Auflagen wie das strenge Nachtflugverbot aufhalten.

Für das laufende Geschäftsjahr kündigte Blume ein Jahresergebnis "im deutlich zweistelligen Millionenbereich" an. 2011 sei "ein sehr positives Jahr" gewesen. Im vergangenen Jahr lag das Betriebsergebnis bei 37 Millionen Euro. Angesichts dieser Erfolgszahlen wird es Blume schwerfallen, den Mitarbeitern seiner Bodenabfertigungs-Tochter die drohenden Kündigungen zu erklären: Weil nach Lufthansa nun auch Air Berlin zum Wettbewerber "aviapartner" wechselt, will Blume in diesem Bereich rund die Hälfte der 800 Jobs streichen und schließt Kündigungen nicht aus. Für einen Sozialplan reserviert Blume im kommenden Jahr 16 Millionen Euro. Mit Vorruhestandsregelungen und alternativen Job-Angeboten soll die Zahl der Kündigungen möglichst klein gehalten werden. "Die Arbeit an unserem Flughafen wird ja nicht weniger", sagte Blume, "und die Qualifikation unserer Bodenabfertiger ist durchaus gefragt." Allerdings müssten die Betroffenen bereit sein, auch Jobs mit schlechterer Bezahlung und flexibleren Arbeitszeiten anzunehmen.

(RP)
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