Berlin Bundesregierung: Zypern ist Einzelfall

Berlin · Die Banken in Zypern wollen heute wieder öffnen. Doch die Bürger dürfen nur 300 Euro abheben. Großsparer werden teilenteignet. Daraus lassen sich keine Rückschlüsse für andere Länder ziehen, sagt der deutsche Regierungssprecher.

Das zyprische Finanzministerium und die Zentralbank haben gestern die Details der Einschränkungen bekanntgeben, die nach der heutigen Öffnung der Banken gelten werden. Der Höchstbetrag, den man täglich pro Person und Konto bekommen kann, wird bei 300 Euro liegen. Online-Lohnzahlungen sind wieder erlaubt, damit alle Angestellten ihre Gehälter erhalten. Einschränkungen des Zahlungsverkehrs sollen aber den Abfluss von Kapital verhindern. Auslandsüberweisungen und Zahlungen mit Kreditkarten im Ausland sollen pro Person und Bank auf 5000 Euro beschränkt werden. Für Beträge bis 200 000 Euro ist eine Genehmigung der Zentralbank notwendig. Zyprer sollen pro Auslandsreise maximal 1000 Euro Bargeld mitnehmen dürfen. Festgeldanlagen dürfen nicht vorzeitig gekündigt werden. Im Ausland studierende Zyprer sollen pro Quartal maximal 5000 Euro aus der Heimat erhalten können.

Zudem werden vermögende Anleger in Zypern im Zuge der Abwicklung der insolventen größten Banken etwa 40 Prozent ihrer Guthaben verlieren. Zypern ist nach Meinung der Bundesregierung aber kein Vorbild für andere Krisenländer. "Zypern ist ein singulärer Fall", betonte Regierungssprecher Steffen Seibert. Aus dem Rettungsprogramm für Zypern seien "keine Rückschlüsse für andere Länder zu ziehen", die Hilfe aus dem Euro-Rettungsschirm beanspruchen könnten. Die Probleme der Länder seien unterschiedlich. "Das eine Modell für alle Fälle gibt es nicht", sagte Seibert. Allerdings schloss er auch nicht aus, dass es zu Teilenteignungen betuchter Anleger auch in anderen Euro-Ländern kommen kann, wenn dies wie in Zypern notwendig wird.

Die Debatte über die Beteiligung vermögender Kunden an der Abwicklung ihrer Krisenbank droht die Verunsicherung unter Anlegern und Sparern zu steigern. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger übte daher scharfe Kritik an Äußerungen von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Dieser hatte erklärt, die Beteiligung von Sparern an der Bankensanierung in Zypern könnte ein Modell für künftige Hilfsprogramme sein. Es dürfe nicht mehr sein, dass die Last allein den Steuerzahlern aufgebürdet werde. Die Signalwirkung dieser Äußerungen für den Rest des Euro-Raums sei "fatal", so Bofinger: "Das ist quasi der Aufruf an Anleger, ihr Geld abzuziehen, sobald sich auch nur die geringsten Probleme bei ihrer Bank zeigen."

Die Bundesregierung war daher bemüht, die Einzigartigkeit des zyprischen Falls herauszustellen. Tatsächlich hat sich der kleine Inselstaat mit seinem Bankensektor übernommen. Die Bankeinlagen betrugen 70 Milliarden Euro, mehr als das Vierfache des Bruttoinlandsprodukts. Bei unterdurchschnittlichem Eigenkapital refinanzierten sich die größten Banken weit überwiegend aus Einlagen. Ihr Hauptgläubiger ist der Staat. Um ihn und die europäischen Steuerzahler nicht zu überfordern, mussten Bankeinlagen herangezogen werden.

Führende Unionspolitiker lehnten jedoch die Pläne der EU-Kommission für eine Richtlinie zur Bankenrestrukturierung ab, die das zyprische Modell quasi legalisieren würde. Eine Sprecherin von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hatte erklärt, der seit Langem vorliegende Entwurf der Richtlinie schließe auch die Beteiligung von Konten über 100 000 Euro an der Bankenabwicklung nicht aus. Im Europaparlament gibt es offenbar eine Mehrheit für diese Pläne. Auch Ökonomen wie der Chef des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, unterstützen sie: "Wenn eine Bank kippt, sind die Investoren dran — und zwar die Eigentümer der Bank und die nachrangigen Investoren." Zu letzteren gehörten auch wohlhabende Sparer.

Die Bundesregierung wollte sich gestern nicht festlegen, ob auch sie die EU-Richtlinie zur Bankenrestrukturierung in dieser Form unterstützt. "Die Verhandlungen laufen noch", sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums. Kontoinhaber in Deutschland müssten sich aber keine Sorgen um ihre Einlagen machen, erklärte sie.

(mar)
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