Wiesbaden Studie: Jeder sechste Deutsche gilt als arm

Wiesbaden · Damit gibt es hier weniger Arme als im Durchschnitt der EU. Auch die Einkommensunterschiede sind geringer.

In Deutschland gibt es weniger Arme als im Durchschnitt der EU-Länder, wie eine gestern vorgestellte Studie des Statistischen Bundesamtes ergab. Im Vergleich mit ihren direkten Nachbarn schneidet die Bundesrepublik aber nicht so gut ab. Etwa jeder sechste Einwohner (15,8 Prozent) galt 2010 als arm. Das waren 1,1 Prozentpunkte weniger als im EU-Durchschnitt.

Arm ist aber nicht gleich arm, sondern eine Frage der Definition. Arm oder von Armut bedroht ist nach der EU-Definition, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung eines Landes zur Verfügung hat. Als arm gelten in Deutschland Singles, die im Monat nicht mehr als 952 Euro Einkommen (inklusive staatlicher Leistungen wie etwa Arbeitslosengeld) zur Verfügung haben. In Rumänien liegt die Armutsschwelle bei 105 Euro im Monat für einen Alleinlebenden, sie ist damit die niedrigste in der EU.

Die niedrigste Armutsquote innerhalb der EU hatte Tschechien (9,8 Prozent). Auch viele andere Nachbarländer schnitten besser ab als die Bundesrepublik. In den Niederlanden waren 11,0 Prozent arm oder von Armut bedroht, in Österreich 12,6 Prozent und in Dänemark 13,0 Prozent. In Frankreich gelten 14,0 Prozent als arm.

In Polen waren dagegen 17,7 Prozent von Armut bedroht. Die meisten Armen gab es in Bulgarien, Rumänien, Spanien und Griechenland. In diesen Ländern war mehr als jeder Fünfte von Armut bedroht. Diese Quote hat sich zudem deutlich verschlechtert, vor allem in den Ländern, die stark von der Euro-Krise betroffen sind. In Spanien ist die Armutsquote um 1,1 Prozentpunkte auf 21,8 Prozent gestiegen. In Griechenland legte sie um 1,3 Punkte auf 21,4 Prozent zu, in Italien um 1,4 Punkte auf 19,6 Prozent. In Kroatien, das im Juli der EU beitreten will, waren 21,1 Prozent der Einwohner von Armut bedroht.

Je größer der Anteil der armen Menschen in einem Land, desto größer sind dort auch die Einkommensunterschiede. Das Einkommen des obersten Fünftels der Menschen in Deutschland war 4,5 mal so hoch wie das des untersten Fünftels. Damit ging hier die Einkommensschere aber nicht so weit auseinander wie im EU-Schnitt, wo dieser Wert bei 5,1 lag. In Spanien ist die Ungleichheit mit 6,8 am größten, gefolgt von Lettland und Bulgarien. Am besten schnitten Slowenien und Tschechien ab.

"Wenn ich Deutschland mit Bulgarien vergleiche, schneiden wir immer noch gut ab", sagte Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK. "Beunruhigend ist aber, dass auch in Deutschland die Armutsgefährdungsquote nicht zurückgeht, sondern schleichend steigt." Immer noch verließen zu viele Jugendliche die Schule ohne Abschluss und zu viele Frauen hingen nach der Babypause ungewollt in einem Teilzeitjob fest.

(dpa)
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