Berlin Atompakt steht, Konzerne klagen weiter

Berlin · Die Bundesregierung einigt sich mit Eon, RWE, EnBW und Vattenfall auf Details für den Atomausstieg. Die Konzerne kaufen sich für 23,6 Milliarden von den Lasten der Endlagerung frei. Viele Klagen lassen sie dafür fallen, an manchen halten sie fest.

Ein langer Streit geht zu Ende: Die Bundesregierung hat sich mit den Atomkonzernen Eon, RWE, EnBw und Vattenfall auf einen historischen Pakt zur Endlagerung des Atommülls geeinigt. Beide Seiten hätten sich auf öffentlich-rechtliche Verträge verständigt, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Danach übernimmt der Staat die Verantwortung für den Atommüll. Die Konzerne müssen im Gegenzug bis zum 1. Juli insgesamt 23,6 Milliarden Euro in bar an den neuen staatlichen Atomfonds zahlen. Die vielen Klagen, die die Konzerne gegen den Staat angestrengt haben, lassen sie aber nur zum Teil fallen.

Welche Aufgaben hat der Atomfonds? Im Jahr 2022 geht das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz. Diesen Fahrplan hatte die Politik nach dem Reaktorunglück in Fukushima 2011 beschlossen. Doch die strahlenden Altlasten bleiben. Der Bund übernimmt nun die Kosten für die End- und Zwischenlagerung des Atommülls. Dieser wird derzeit an den Meiler-Standorten oder in verschiedenen Zwischenlagern deponiert (siehe Grafik). Zum Atomfonds gibt es ein Gesetz und nun auch einen Vertrag zwischen dem Staat und den Konzernen. "Wir sind optimistisch, dass eine Einigung kurz bevorsteht", hieß es bei RWE. Sinn des Atomfonds ist es, die Rückstellungen der Konzerne zu sichern, die wegen der Energiewende und des Verfalls der Strompreise mit Milliardenverlusten kämpfen.

Wo wird das Endlager sein? In den Anfängen der Kernkraft-Nutzung war das niedersächsische Gorleben als Endlager vorgesehen. Nach Problemen im dortigen Salzstock und jahrzehntelangem heftigen Streit haben sich Union, SPD und Grüne nun auf ein Endlager-Such-Gesetz geeinigt, das in den nächsten Wochen von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden soll. Die Suche soll ergebnisoffen und nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgen. Bis 2031 soll ein Ort in Deutschland gefunden werden, an dem der strahlende Abfall eine Million Jahre lang sicher lagern kann. Gorleben ist von der Suche nicht ausgenommen, auch wenn die Erkundung ruht.

Wie sieht die Gegenleistung der Konzerne aus? Für Stilllegung, Rückbau, Abriss, Lagerung haben die Konzerne 40 Milliarden Euro Rückstellungen gebildet. Die davon auf die Zwischen- und Endlagerung entfallenden Milliarden müssen sie nun an den Atomfonds übertragen. Da die von der Bundesregierung eingesetzte Atom-Kommission unter Führung von Jürgen Trittin (Grüne) mit Kosten von mindestens 48 Milliarden Euro für die Lagerung rechnet, verlangt die Politik zusätzlich eine Risikoprämie. Eon muss insgesamt nun zehn Milliarden Euro (inklusive Risikoprämie) zahlen. Bei RWE sind es 6,8 Milliarden, davon 1,8 Milliarden an Risikoprämie. Beide NRW-Konzerne wollen die Beträge in einer Summe bis zum Juli an den Staat überweisen. Zugleich bleiben die Konzerne für die Stilllegung und den Abriss der Kraftwerke sowie die Verpackung des Atommülls verantwortlich. Hier rechnen Experten mit Kosten von weiteren 60 Milliarden.

Was wird aus den Klagen? Wegen des Atomausstiegs haben die Konzerne den Staat mit vielen Klagen überzogen. Einen Teil wollen sie nun fallenlassen und sagen dies dem Staat auch vertraglich zu. So wollen sie auf die Schadenersatz-Klagen verzichten, die sie wegen der unmittelbaren Abschaltung von alten Meilern 2011 (Moratorium) eingereicht hatten. Auch Klagen zu Zwischenlagern und Wiederaufbereitung wollen sie fallenlassen. Anders sieht es bei der Brennelemente-Steuer aus. An Klagen dagegen wollen die Konzerne festhalten. "Die Klagen gegen die Kernbrennstoffsteuer haben mit den Lagerfragen nichts zu tun. An ihnen halten wir fest. Wir haben rund 2,8 Milliarden für diese Steuer bezahlt", hatte Eon-Chef Johannes Teyssen vor einigen Wochen im Interview mit unserer Redaktion gesagt. RWE hat von 2011 bis 2016 über 1,5 Milliarden an Kernbrennstoffsteuer gezahlt.

Greenpeace kritisierte: "Allen Warnungen zum Trotz hat sich die Regierung von der Atomlobby über den Tisch ziehen lassen. Die Milliardenklagen der Konzerne laufen weiter, aber vor ihrer Verantwortung für den Atommüll haben sie sich trickreich gedrückt." Die Bundesregierung bleibt gelassen. Schon die Verfassungsklage der Konzerne gegen den Atomausstieg war in ihrem Sinne ausgegangen. Karlsruhe hatte den Konzernen 2016 lediglich Schadenersatz für sinnlos gewordene Investitionen zugebilligt. Dabei geht es nur um Millionen-Beträge.

Der schwedische Staatskonzern Vattenfall hält zudem seine Klage vor einem US-Schiedsgericht aufrecht. Vattenfall fordert von Deutschland 4,7 Milliarden Euro Entschädigung für die Abschaltung von Krümmel und Brunsbüttel. Von Schadenersatz würde auch Eon, Juniorpartner bei beiden Meilern, profitieren. Die Grünen forderten Kanzlerin Merkel auf, sich in Schweden für ein Fallenlassen der Klage stark zu machen.

(anh)
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