Insolvenzantragspflicht 2022 droht in Deutschland eine Pleitewelle

Düsseldorf · Die Aussetzung der Insolvenz-Antragspflicht gilt ab Mai nicht mehr. Handel und Gastgewerbe fordern eine Verlängerung der Aussetzung, bis staatliche Hilfen angekommen sind. Aber geht das zeitlich überhaupt noch?

 Nach Auslaufen der Ausnahmeregelung drohen Schließungen.

Nach Auslaufen der Ausnahmeregelung drohen Schließungen.

Foto: Weber/ dpa

Vielen Unternehmen hat die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im vergangenen Jahr bis heute geholfen, trotz aller ökonomischen Folgen der Pandemie zu überleben. Doch an diesem Samstag endet die Schonfrist auch für jene, die noch auf Gelder aus dem Hilfstopf des Bundes warten. Sie sind die einzigen, die bislang noch von der erstmals im Frühjahr 2020 ausgesetzten Antragspflicht freigestellt worden sind. Alle anderen werden schon seit Anfang Februar wieder nach den alten Insolvenzregeln behandelt.

Aber es gibt noch viele Unternehmen, die sich in der Warteschleife befinden. Was passiert mit ihnen, wenn die Hilfen nicht mehr rechtzeitig kommen? Viele müssten dann den bitteren Gang zum Insolvenzgericht antreten. Das wollen sie natürlich vermeiden. Deshalb haben Handel und Gastgewerbe bereits eine Verlängerung verlangt. „Wir fordern, die Insolvenzantragspflicht analog zur Laufzeit der staatlichen Hilfen auszusetzen. Solange nicht alle Unternehmen die benötigten Hilfen erhalten haben, ist die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zwingend notwendig“, sagte Haakon Herbst, Vizepräsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) NRW. Es wäre absurd, wenn Unternehmen ab dem 1. Mai Insolvenz anmelden müssten, nur weil die versprochenen staatlichen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen angekommen seien, so Herbst. Der Dehoga befürchtet, dass bis zu einem Drittel der Betriebe aus Gastronomie und Hotellerie die Corona-Pandemie nicht überleben werden.

Eine Entscheidung über eine Verlängerung könnte allerdings vermutlich erst nächste Woche fallen. Somit müsste ab 1. Mai bei Vorliegen eines entsprechenden Grundes ein Insolvenzantrag gestellt werden. Die Idee des SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Fechner, der sich für eine rückwirkende Fortsetzung der aktuellen Regelung stark gemacht hat, würde kaum helfen. Denn ist der Antrag erst einmal gestellt, wird eine regelrechte Spirale in Gang gesetzt.

Dann hat häufig ein Insolvenzverwalter das Sagen: Gemäß seinem Auftrag muss er Vermögensbestandteile zu Geld machen, um Forderungen von Gläubigern zu erfüllen. Lieferanten und Kunden könnten die Flucht ergreifen. Andererseits rechnen Experten nicht damit, dass unmittelbar nach dem Neustart der Regelung schon das große Firmensterben einsetzen würde. Auch die Kurzarbeit hat manchen Unternehmen Luft verschafft. Aber reicht das? Wie viele es tatsächlich werden, die am Ende Insolvenz anmelden müssen, kann derzeit niemand einigermaßen sicher vorhersagen. Eine schnelle Erhöhung der Impfquoten mit größeren Spielräumen für Öffnungen sowie besseren Pers­pektiven beispielsweise für Handel und Gastronomie könnte helfen.

Bei manchen wird der wirtschaftliche Exitus aber vielleicht auch nur hinausgezögert. Biner Bähr, Partner der internationalen Anwaltskanzlei White & Case, hat im vergangenen Jahr mehr als 30.000 Firmeninsolvenzen und eine Arbeitslosenzahl zwischen vier und fünf Millionen prognostiziert. Jetzt glaubt Bähr an eine Verschiebung: „Wegen der Fülle der staatlichen Hilfen, die vor der Bundestagswahl vermutlich auch nicht enden werden, rechne ich jetzt erst für das Jahr 2022 mit der Pleitewelle“, erklärte Bähr am Dienstag auf Anfrage. Mit anderen Worten: So mancher Schwerkranke wird durch den politischen Willen am Leben gehalten – noch.

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